29.10.2013 14:10:11 | [Intern] Das Buch - Über die Tugenden (#73504) |
Amari | Isabelle hatte keine Ahnung, was sie machen sollte. Gut, es war eine Queste, aber wofür? Und wohin? Das war Teil der Quest - die Suche. Sie sollte über sich selbst hinauswachsen und etwas für die Winterrache leisten - für das Gute, für das Licht. Doch wie griff man nach den Sternen und blieb noch auf dem Boden der Tatsachen? Gerade jetzt war es gefährlich und sie musste aufpassen, dass nicht alles plötzlich hinter ihr zusammenbrach, während sie etwas suchte, von dem sie noch nicht einmal wusste, was es war und wo sie es finden konnte. Vielleicht würde sie in der Bibliothek fündig werden. Manch einer mochte sich die brummige Kriegerin vielleicht nicht bei vielen Büchern vorstellen können, doch das zeigte höchstens, wie wenig sie Isabelle kannten. Sie war nicht die beste Leserin, aber dafür war sie eine begeisterte Leserin! Sie liebte Geschichten. Das hatte sie schon immer. Nur wenige wussten vermutlich, dass gerade daher auch ihr merkwürdiges Weltbild kam, dass genau daher ihre recht strikte Einteilung in Schwarz und Weiß kam, dass sie auch deswegen so sicher war, was richtig und falsch war. Denn Geschichten hatten eine Moral. Geschichten hatten häufig einen erhobenen Zeigefinger. Geschichten hatten Ideale, Tugenden und Werte, die sie zeigten und lobten. Dass die wahre Welt hier draußen sich einen Scheißdreck um das alles kümmerte, das war Isabelle mittlerweile auch aufgefallen. Das war auch, was sie zu ihrer eher brummigen Art geführt hatte. Doch hatte diese Erkenntnis nie ihren Idealismus angekratzt - höchstens hatte es die Naivität weggewischt, mit der sie diesem Idealismus anhing. Seitdem aber diese Naivität gewichen war, verfolgte sie um so vehementer, um so fanatischer diese Werte. Denn irgendwer musste sie doch hochhalten, wenn die Welt ständig in belanglosem Grau schwieg. Doch Isabelle fand nicht viel in der Bibliothek: [b][i]"Das kann doch nicht sein!"[/i][/b], murmelte sie, während sie die Regale entlang ging. Die Tugenden waren wichtig auf der Winterrache und dennoch waren auch hier einige schon längst in Vergessenheit geraten. Sie hatten einem Pragmatismus Platz gemacht, der wohl den harten Verhältnissen und dem unbarmherzigen Wetter, aber auch den mitleidslosen Angreifern von draußen zu verdanken war. Aber gerade hier sollte es nicht sein! Gerade hier ... Moment, was war das? Isabelle stutzte, als sie bei ihrer Suche ein Buch in den Regalen fand. Es war leer. Was hatte ein leeres Buch hier in der Bibliothek zu suchen? In einer Bibliothek standen beschriebene Bücher, aber keine leeren! Sie musterte irritiert den Ledereinband, aber auch dort fand sie keinen Hinweis, was dies für ein Buch war, was es hier sollte und wieso - bei allen guten Göttern - es leer war! Mit einem Brummen setzte sie sich mit dem Buch an einen Tisch und blätterte und blätterte. Es war dick - aber leer. Egal, welche Seite sie aufschlug, es blickte sie eine vergilbte Leere an, die sie irritierte. Dann kam ihr eine Idee. Es würde sicherlich niemanden stören - bestimmt nicht! Es war immerhin ein leeres Buch - kein Verfasser, kein Inhalt, kein Sinn. Dann würde sie eben diesem Buch all das geben! Vielleicht könnte es ihr sogar auf ihrer Suche helfen. Isabelle erinnerte sich noch, dass sie gerade in ihrer Anfangszeit auf Amdir viel in ihr kleines Notizbüchlein geschrieben hatte. Mittlerweile machte sie es zwar immer noch, aber höchst selten. Denn dann würde sie nicht mehr aus dem Schreiben bei all den Problemen herauskommen. Dieses Buch hier war natürlich ungleich größer. Aber das sollte sie nicht abhalten. Wer weiß, wozu es gut sein würde, wenn sie einfach ihre Gedanken während ihrer Quest in dieses Buch schrieb. Zuerst fragte sie sich herum - mit dem Buch unter dem Arm. Doch niemand in der gesamten Burg konnte etwas zu dem leeren Buch sagen und auch nicht zu dem Grund, warum ein solches Buch in der Bibliothek stand. Daher setzte sich Isabelle in einem ruhigen Moment hin, betrachtete es sich und rückte ein Fass mit Tinte und Feder näher: [b][i]"Dann fangen wir einmal an."[/i][/b] Isabelle schlug die erste Seite auf und schrieb dann in großen, nicht gerade schönen Buchstaben einen Titel und einen Verfasser ein: [quote][i] [center][b][u]Über die Tugenden[/u][/b] [u]- Von einem Griff nach den Sternen[/u] Worin beschrieben stehen die Gedanken der Verfasserin während ihrer Quest für Burg Winterrache Verfasst von Isabelle Dumonde Waffenmeisterin von Burg Winterrache Stadtwache von Mirhaven[/center] [/i][/quote] [spoiler]((OOC: Bitte nicht in diesen Thread ohne Rücksprache mit mir schreiben. Hier möchte ich lediglich das "Buch" zusammenschreiben, das Isabelle über die nächste Zeit anlegen wird. Andere Postings wären daher unpassend. Das bedeutet nicht, dass man sich nicht beteiligen darf - im Gegenteil. Aber dazu bitte dann separate Threads aufmachen, damit hier auch wirklich nur das Buch an mehr oder weniger einem Stück steht. Auf diesen Thread verwiesen kann natürlich gerne werden und ich werde auch gerne in andere Threads von hier verlinken, wenn ihr Sachen aufgreift. Im Zweifel bitte mich einfach per PM anschreiben.))[/spoiler] |
31.10.2013 08:13:02 | Aw: Das Buch - Über die Tugenden (#73531) |
Amari | [quote][i] [center][b][u]Vorwort[/u][/b][/center] Eine Quest ohne konkretes Ziel - dies ist meine Aufgabe. Sie soll etwas Unmögliches sein, etwas für die Burg Winterrache, für die Tugenden, für das Licht. Doch welchen Weg muss man gehen, wenn man noch nicht weiß, in welche Richtung es überhaupt einen treibt? Ich bin keine Schreiberin. Dies wird man vermutlich bereits an meiner Schrift erkennen. Ich bin eine einfache Frau aus einfachen Verhältnissen. Lesen und Schreiben habe ich für den Markt gelernt, denn meine Eltern waren Handwerker. Nie hätte ich eine Kriegerin werden sollen - oder gar das, was ich nun bin: Waffenmeisterin von Burg Winterrache. Ich hätte verheiratet werden sollen und unseren Familienbetrieb weiterführen. Doch ich hörte Geschichten. Ich lauschte ihnen und ich erkannte, dass es Gut und Böse gibt, Richtig und Falsch - und dass es jene geben musste, die dafür kämpften. Egal ob Mann oder Frau, jemand musste sich darum kümmern. Auch wenn mein Vater mir einbläute, dass eine Frau da nichts zu suchen hat. Daher musste ich weg und ich ging weg. Damals wusste ich nicht, in welche Richtung. Es war einfach die nächste Stadt. Auch damals war ich auf einer Suche ohne Ziel. Doch ich fand etwas: Ich fand meinen Lehrmeister Casceydan. Ich fand Aufgaben, ich fand Lösungen und der Weg zeigte sich sehr bald - doch ich musste ihn erst selbst gehen. Vorher war nichts klar. Hätte man mich vorher gefragt, wohin ich will und was ich bewirken will? Ich hätte keine Antwort geben können. Ich wusste nur, dass ich es machen musste und dass sich irgendetwas zeigen würde. Auch so ist es jetzt. Denn ich bin auf einer ähnlichen Suchen. Aber sie ist ungleich schwerer, denn wo ich damals nichts hatte, was ich verlieren konnte und auch nichts erreicht hatte, ist es jetzt so anders. Denn ich habe etwas erreicht, ich kann etwas verlieren und all das lastet auf den Schultern auf diesem Weg. All die Schutzbefohlenen, all die Pflichten, all die Sorgen - diese hatte ich damals vor einigen Jahren noch nicht. Es ist einfacher, seinen Weg ohne all das zu finden. Aber um so wichtiger ist es vielleicht, diesen Weg zu gehen. Dies ist meine Aufgabe, denn ich habe die Kraft - ich muss sie haben, um Anderen den Weg zu zeigen. Denn schnell lassen sich viele entmutigen. Doch wenn Fußstapfen im Schnee sind, ist es einfacher, einem Weg zu folgen. Wenn jemand sich schon durch dickes Gebüsch einen Weg gebahnt hat, so ist es den Nachfolgenden einfacher das gleiche zu tun. Dies macht das Folgen nicht weniger wert. Denn es geht nicht darum, wer es beschwerlicher hat. Es geht darum, das Richtige zu tun - immer. Ob man es nun einfach hat oder nicht, das spielt keine Rolle. Dieses Buch wird mich begleiten auf dem Weg und ich werde meine Gedanken in unregelmäßigen Abständen hier reinschreiben. Auf dass dieses Buch den Weg für Andere erhellen möge, die vielleicht in ähnlichen Umständen sind. Denn egal, wie unterschiedlich sich vieles anfühlen mag, wir Streiter des Lichts kämpfen täglich mit den gleichen Problemen und mit den gleichen Sorgen - selbst wenn unser Hintergrund ein anderer ist, so ist unser Weg immer ein ähnlicher. Daher hoffe ich, dass auch mein Weg sein Ziel finden wird - so wie ich damals Herrn Casceydan fand, so wie ich meine Bestimmung als Kriegerin fand, so wie ich auch den Weg nach Amdir und in die Stadtwache und auf die Burg Winterrache fand. Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Auch wenn dieser Weg in die Dunkelheit führt, so muss man tapfer sein, man muss das Licht dort sein! Denn dort, wo auch nur eine kleine Kerze brennt, kann die Finsternis nie vollkommen sein. Dadurch siegt das Licht immer, denn jeder Schatten muss vor ihm weichen - immer! Wir müssen nur die innere Stärke besitzen, um diesen Weg bis zum Ende zu gehen und zu leuchten. [right]Isabelle Dumonde[/right] [/i][/quote] |
05.11.2013 12:56:20 | Aw: Das Buch - Über die Tugenden (#73584) |
Amari | [quote][i] [...] Dies sind dunkle Zeiten. Erst kürzlich gab es eine Provokation Valvecs, die alles eskalieren ließ. Ein angeblicher Spion von unserer Seite wurde vor unseren Toren hingerichtet und die Winterwächter wurden verspottet. Ein Spion von unserer Seite? Lügen! Wir machen so etwas nicht. Die Winterwächter haben sich den Tugenden verschrieben. Doch dies ist nicht der einzige Rückschlag der letzten Monate. Ein groß angelegter Angriff der Riesen konnte mit großer Mühe und sehr viel Glück zurückgeschlagen werden - ohne Verluste. Und dennoch untergrub es die Moral innerhalb der Burg, denn alles wurde schwieriger. Die Menschen hier oben sind gute Menschen. Es sind jene, die an das Licht glauben. Kaum jemand anders würde auch hier hoch in diese unwirtliche Gegend kommen. Das Wetter ist hart, der Winter noch mehr, die Riesen kennen kein Erbarmen und irgendwo unter dem Eis und Schnee schlummert die Rache Aurils, die wieder versucht, mit ihren Eiskrallen nach dem Land zu greifen. Wir stehen hier als Bastion des Lichts, um Amdir vor allem dem zu beschützen. Doch dankt man es uns? Nein. Brauchen wir diesen Dank? Nein. Wollen wir diesen Dank? Wenn ich ehrlich bin: Es wäre schön. Es ist nicht so, dass man dies macht, weil man unbedingt den Dank oder die Anerkennung will. Doch es ist schwierig hier oben und wir streiten für die Dinge, von denen alle auf der Insel profitieren - und wir profitieren vermutlich am wenigsten davon. Es ist nicht Dank, der uns antreibt, sondern das Wissen, das Richtige zu tun. Dennoch würde dieser Dank das Herz wärmen und Zuversicht geben - gerade in Angesicht des eisigen Windes hier oben wäre dies eine Wohltat. Doch Mirhaven sonnt sich schon seit langer, langer Zeit in seiner Illusion der Neutralität. Eine Illusion ist es sicherlich. Denn die Welt versinkt in Grau, aber sind es die Farben, die sie erst entstehen lassen. Ist alles grau, so ist nichts zu erkennen - weder Freund, noch Feind, noch man selbst. Scharfe Kontraste braucht die Welt, um zu sehen, wer sie ist. Schwarz und Weiß - dies ist, wie die Welt aufgebaut ist. Tag und Nacht, Gute und Böse, Licht und Dunkel, Krieg und Frieden, Mann und Frau, Stadt und Natur, Süß und Sauer, Tugend und Sünde - die Welt dreht sich um Dinge, die zwei Seiten haben. Sicherlich gibt es auch einmal mehr, doch die wirklich wichtigen Dinge sind zweierlei. Das vergisst man heute gerne und verliert sich in dem Grau. Es ist auch einfacher, wenn man nicht selbst Farbe bekennen muss. Doch verliert man auch genug von sich selbst. Denn wer nicht in Farben, sondern nur in grau malt, dem entgeht Geschmack, dem entgeht Leben, dem entgeht die Welt, wie sie sein sollte. Was ist schöner? Ein trüber, verregneter Tag im Herbst oder strahlender Sonnenschein über einer Hügellandschaft mit Blumen in verschiedenen Farben und Bäumen mit kräftigen Früchten? Sicherlich ist es einfacher - im grau. Aber man vermisst dort zu sehr das, was das Leben lebenswert macht: Etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Denn kämpft man nur für sich, kämpft man nur im Grau, dann verliert sich alles in Bedeutungslosigkeit - denn ist man vergangen bleibt nichts mehr davon. Doch wenn wir die Welt für Andere in Farben malen, so bleibt es im Gedächtnis. Sie erinnern sich, sie denken daran und so wir Glück haben und Vorbild genug waren, gehen sie unseren Weg - jenen, den wir vorgelebt haben - in eine bessere Zukunft. In eine wertvollere Zukunft. [...] [/i][/quote] |
15.11.2013 08:16:52 | Aw: Das Buch - Über die Tugenden (#73730) |
Amari | [quote][i] [...] Es ist ein merkwürdiges Gefühl, aber immerhin weiß ich nun, was es ist: Frau Fearis hat sich mein Problem angesehen. Zunächst war ich verwirrt, dass ich in manchen Momenten nicht grinsen oder lächeln konnte. Gut, Lächeln ist sowieso nun nichts, was ich häufig mache. Doch auch ich habe gute Laune ganz gerne! Aber es gelang mir nicht. Wie es scheint hat jener Kampf mit dem Dämon doch mehr gekostet, als ich dachte. Ich frage mich, ob Rashal davon wusste oder ahnte, dass so etwas passieren könnte. Doch was blieb uns als andere Möglichkeit? Wir waren gefangen in diesem Raum, aus dem es kein Entkommen gab. Es musste doch etwas getan werden! Und wenn ich schon einem Mitglied der Familie ähnelte, die der Dämon heimsucht und vernichten will, so dachte ich, es wäre taktisch klug, dies auszunutzen. War es auch. Aber ob ich diesen Preis wieder zahlen würde? Ich weiß es nicht. Als der Dämon von mir Besitz ergriffen hatte, damit wir ihn bannen konnten, entriss er mir einen Teil meiner Seele, wie es scheint. In dem Moment, als er in die Vase einfuhr nahm er meine Fröhlichkeit mit. Jetzt weiß ich auch, was dieser Schmerz war. Aber schon merkwürdig, dass es mir erst so spät auffiel. Aber möglicherweise kein Wunder, da ich sowieso als Sauertopf bekannt. Und dennoch - ich schlafe schlecht. Ich fühle mich nicht gut. Ständig habe ich das Gefühl, dass etwas fehlt und etwas nicht stimmt. So harsch ich vielleicht auf Andere nach außen hin wirken mag, ich merke dieses Fehlen! Sehr deutlich sogar! Mit jedem Tag mehr und mehr. Frau Fearis sagte, dass es das ist, was jede gute Seele in sich trägt - auch ich. Trotz meiner Art. Was wird mit mir passieren, wenn es mir länger fehlt? Sie will sich darum bemühen, mir zu helfen. Doch bin ich mir nicht sicher, ob der Preis zu groß wäre. Der Dämon ist in der Vase gefangen - mit diesem Teil meiner Seele. Wir konnten ihn nicht töten oder zerstören, daher mussten wir ihn bannen. Aber wenn wir ihn freilassen, um dieses Stück meiner Seele zurückzueroben, dann könnte dies ungeahnte Folgen für jene Familie haben - und für alle Wesen hier auf Amdir. Wäre es da nicht nur ein kleiner Preis, wenn mir diese Fröhlichkeit fehlt? Wäre der Preis nicht zu hoch, den ich ganz eigennützig bezahlen müsste, nur um wieder grinsen oder lächeln zu können? So langsam vergesse ich sogar, wie dieses Gefühl war. Es wird mit jedem Tag mehr und mehr zu einem Echo in der Erinnerung, das schwächer und schwächer wird. Darf ich so eigennützig sein, diesen Teil von mir wieder einzufordern bei dem, was passieren könnte? Mir all den Problemen mit Valvec und anderen Dingen auf Amdir können wir einen solch freien Dämon nicht noch zusätzlich gebrauchen. Zumal er mich nun kennt - und er weiß, was ich weiß. Es wäre zu gefährlich. Vermutlich sollte ich doch Frau Fearis bitten, nichts zu unternehmen. Aber ich sehne mich danach, wieder zu grinsen und dieses merkwürdige Gefühl zu spüren, das ich langsam zu vergessen scheine. Noch kann ich mich daran erinnern. Noch. [...] [/i][/quote] |
05.12.2013 09:48:25 | Aw: Das Buch - Über die Tugenden (#73929) |
Amari | [quote][i] [...] Den Wert mancher Dinge bemerkt man erst, wenn man sie verloren hat. Vermutlich würden manche lachen, manche schmunzeln und manche mir nicht glauben, doch die Fröhlichkeit fehlt mir. Ich merke es mit jedem Tag und es wird schwieriger. Das, was der Rachedämon mir genommen hat, ist vielleicht das Gefährlichste, was einer Streiterin für das Gute passieren kann. Mag sein, dass ich nicht die Fröhlichste bin, mag sein, dass ich nicht so sehr in diesen Dingen aus mir rausgehe, wie Andere, was aber nicht heißt, dass ich diese Dinge nicht verspüre - oder gerne mache. Dies alles hat schließlich seinen Grund und ich kann dies einfach nicht nach außen lassen. Zu viele Dinge sind passiert und zu schwierig ist es geworden, ein Licht in der Welt zu sein. Als kleines Mädchen wollte ich große Heldentaten vollbringen wie in den Geschichten. Meine Augen haben geleuchtet, meine Seele hat darauf gebrannt, Gutes zu tun - denn ich wusste damals noch, dass die Welt so war, wie in den Geschichten. Jetzt weiß ich, dass es anders ist. Dennoch weigere ich mich, von diesem Weg abzuweichen. Ich bin stur! Ich lasse das nicht zu! Denn erst wenn ich zugebe, dass dies so ist, erst dann wird die Welt grauer. Solange ich kämpfe, solange bleibt wenigstens eine kleine Kerze. Doch was bringt die Kerze zum Leuchten? Genau das, was der Dämon mir genommen hat und ich merke, wie sie flackert und droht zu erlöschen. Doch das darf sie nicht! Das lasse ich nicht zu! Aber wie Kraft schöpfen, wenn man keine mehr gewinnen kann? Denn wir Streiter für das Gute beziehen unseren Antrieb genau daraus, aus diesem guten Gefühl. Aber ich habe es nicht mehr. Seit schon zu vielen Zehntagen mittlerweile. Ich schlafe noch schlechter als sonst. Der Schnee hier oben wirkt grauer. Die Mauer wirkt karger. Der Himmel wirkt blasser. Und mit jedem Tag habe ich das Gefühl, dass es schlimmer wird. Das Grau holt mich ein. Genau jenes Grau, vor dem ich immer gewarnt habe. Doch mein Schutzschild ist weg. Denn auch für mich war diese Fröhlichkeit ein Schutz - selbst wenn man sie nicht gesehen hat. Ich habe sie nur nicht immer vor mir hergetragen wie Andere. Ich habe sie gehütet und sie genossen - innerlich. Daher schleppe ich mich voran. Ich erfülle meine Pflichten, aber ich ziehe mich ein wenig zurück. Sie dürfen es nicht bemerken. Ich müsste stark sein, doch ich bin es im Moment nicht. Ich bin kein gutes Vorbild auf diese Weise. So kann ich weder Wulfhart eine gute Lehrerin sein, noch den Menschen hier ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit; doch das muss ich sein. Und wenn ich es in diesem Moment nicht kann, muss ich sie alle beschützen davor. Sie dürfen davon nicht angesteckt werden. Wenigstens auf der Winterrache soll das Feuer noch weiter brennen - das Feuer der Hoffnung. Vielleicht kann es meines irgendwann wieder im Gegenzug entfachen. Doch ich fühle mich leerer - von Tag zu Tag. Es fehlt mir etwas. Doch es ist nicht nur das, was mir fehlt. Es ist mehr - das spüre ich. [...] [/i][/quote] |
13.12.2013 07:39:16 | Aw: Das Buch - Über die Tugenden (#74003) |
Amari | [quote][i] [...] Wann fallen wir? Damit meine ich nicht auf die Nase. Es geht mir darum, wann einer von uns Streitern für das Licht vom Glauben fällt. Gerade vor Kurzem stellte ich mir diese Frage, als ich sie wieder traf - meine Schwester im Geiste in gewisser Weise, Lady Keara Malin von Stahlberg. Mir ist bewusst, dass viele gerade von uns sie missgünstig betrachten und sie hat es uns allen auch nicht leicht gemacht; und macht es uns immer noch nicht. Viele denken, sie sei vom Glauben abgefallen und dennoch glaube ich weiterhin an sie und hoffe, dass ihr Licht noch nicht gänzlich erloschen ist. Ich traf sie letztens wieder, obwohl ich Bedenken hatte, gerade in meinem jetzigen Zustand. Ich bin nicht mehr ohne diesen Teil meiner Seele und die Welt wird von Tag zu Tag blasser und aussichtsloser. Aber ich weigere mich, mich dem Grau hinzugeben. Ich weigere mich, mich in dieses Schicksal zu ergeben. Warum schreibe ich dies und was hat es mit dem allem zu tun? Ich wollte schon lange über sie schreiben, denn in gewisser Weise ist ihr Weg ein Paradebeispiel für den steinigen Weg, den wir vor uns haben - und dass jeder von uns straucheln kann. Denn jeder von uns macht Fehler und keiner von uns kann immer noch licht handeln. Das trifft natürlich um so mehr für sie zu, die in der Dunkelheit des grünen Lichtes wandelt. Die Parallelen wurden mir bewusst, als ich wieder mit ihr sprach. Endlich einmal in Ruhe und ungestört. Keine neugierigen Augen, die uns missgünstig betrachteten, keine Nase, die uns nachschnüffelte. Wir konnten uns wieder unterhalten - endlich. Und worüber unterhielten wir uns? Nicht die weltpolitischen Dinge, nicht den aufkommenden Krieg zwischen Valvec und Winterrache. Das können wir auch vor all den anderen Augen und sollen sie es ruhig sehen. Ich habe nichts zu verbergen. Nein, wir unterhielten uns über die persönlichen Dinge und mir wurde mit Schrecken bewusst, wie ähnlich unsere Wege doch waren und sogar geworden sind - mit nur kleinen, aber feinen Unterschieden. Ähnlich wie ich ist sie im Zwiespalt, ähnlich wie ich ist sie auf der Suche. Ähnlich wie ich warf sie sich vor eine unschuldige Seele, um sie zu retten vor Tyranniten, durch etwas scheinbar Unwichtiges, das aber doch so viel Einfluss auf unser beider Denken bekommen hatte. Ich weiß nicht, wie ihr Weg dann weiter ging, denn seitdem habe ich ihre Gedanken nicht mehr gehört und letztens war das erste Mal, dass ich ihnen wieder lauschen durfte. Allen schien es, als ob sie vom Weg abgekommen war. Ich konnte es nicht glauben - wollte es nicht glauben und tu es immer noch nicht. Aber sie begab sich in die Dunkelheit, um Licht zu bringen - und verlor es auf diesem Weg. Kämpft sie noch darum? Ich weiß es nicht. Ganz ehrlich. Ich verstehe sie kaum noch und ihre Worte scheinen mir so unverständlich - und dennoch habe ich das Gefühl, als ob ich sie unterbewusst dennoch verstehe. Es ist, als ob unsere Geister sich dennoch weiterhin verständigen können, ähnlich denken und ähnlich fühlen. Aber im Gegensatz zu ihr weigerte ich mich, mich in diese Dunkelheit zu wagen. Auch wenn ich gestehe, dass gerade in diesen Zeiten, wo mir eines der wichtigsten Dinge meiner Seele fehlen, es um so verlockender wäre. Es wäre so einfach, wenigstens diesen inneren Frieden dadurch zu erlangen. Aber ich kämpfe. Ich gehe nicht in die Dunkelheit. Ich stehe weiterhin im Licht und wenn sich diese Dunkelheit nähert, dann wird sie mit erleuchtet! Das ist mein Ziel und ich denke, mir ist dies sogar zum Teil gelungen. Doch diese Sache mit dem Dämon war ein Rückschlag für mich und ich muss aufpassen. Wovon ich schreibe? Vielleicht werde ich dies genauer irgendwann aufschreiben, doch ich fürchte, dafür ist die Zeit noch nicht reif. Manch einer mag verstehen, was ich zwischen den Zeilen damit meine. Vielleicht wird es hier auch nie deutlich stehen. Dann soll derjenige, der sich fragt und auf der Suche nach den Antworten ist, seine eigene Erleuchtung auf dem Weg zum Inhalt dieser Zeilen finden. Ich will aber zurückkommen zu meiner anfänglichen Frage: Wann fallen wir? Wenn wir aufgeben. Nur und erst dann! Solange wir kämpfen, solange wir aufstehen, solange wir uns nicht unterwerfen lassen, solange leuchtet unsere Kerze weiter - und nichts und niemand kann sie erlöschen lassen. [...] [/i][/quote] |
18.12.2013 10:27:19 | Aw: Das Buch - Über die Tugenden (#74073) |
Amari | [quote][i] [...] Ich wünsche niemandem, dass ihm Gleiches widerfährt wie mir. Davon schrieb ich nicht früher, auch wenn es mir so bewusst wurde, als ich Lady Keara traf. Die Abwesenheit von Freude, die Abwesenheit von Glück wird um so schlimmer, wenn man sich dieses Moments bewusst wird. Sonst wirkt alles grau und fad und man kann sich über nichts freuen. Doch als Lady Keara mir jene Schokolade anbot, zögerte ich. Ich hatte Angst davor - vor einem einfachen, braunen Riegel. Wieso? Ich wusste, dass mir solche Dinge einmal geschmeckt haben. Doch ich weiß ebenso, dass mir dies nicht mehr vergönnt ist. Was würde passieren, wenn ich es also esse? Nichts? Ich wagte es und als ich hineinbiss, spürte ich den Schmerz der Erinnerung. So muss es sich anfühlen, wenn das eigene Bein amputiert ist und der Körper sich daran erinnert, dass dort einmal etwas war. Phantomschmerzen nennt man es und sie sind unbeschreiblich grauenhaft. Genau dies spürte ich - nur in meiner Seele. Der Ort, den Frau Fearis so sanft behandelt hatte und jene Narbe, die sie hatte verschwinden lassen, täuschte jedoch nicht darüber hinweg, dass dort einmal etwas war - und nun nicht mehr ist. Meine Seele erinnerte sich in diesem Moment daran, welches Glücksgefühl ich damals verspürt hatte in solchen Momenten, wenn ich so etwas aß. Was wünsche ich mir, wieder etwas genießen zu können! Doch auch das ist nicht mehr möglich. Ohne Freude kein Genuss. Die Welt wurde an diesem Abend nicht nur ein Stück grauer, sondern auch schmerzhafter für mich. Das Grausamste, wenn man keine Freude mehr empfinden kann, ist die Erinnerung daran. [...] [/i][/quote] |
19.12.2013 07:59:02 | Aw: Das Buch - Über die Tugenden (#74090) |
Amari | [quote][i] [...] Er hat es getan - ohne mich zu fragen, ohne mich zu bedenken. Jetzt liegt sie vor mir, diese Kugel, und ich weiß nicht, was ich mit ihr anfangen soll. Ich habe das Gefühl, dass ich mich ruhiger fühle in ihrer Nähe. Es ist als ob dieser Prozess, der mich langsam zu meinem Ende bringen sollte, aufgehalten scheint. Doch vielleicht bilde ich es mir nur ein. Denn noch ist meine Seele nicht geheilt - noch nicht. Noch liegt dieser Teil dort vor mir und schimmert und leuchtet in einem bläulichen Ton. Doch ich kann mir im Moment keine Gedanken darum machen, wie ich das dort nun wieder in mich bekomme. Ich fühle mich aufgewühlt. Ich fühle mich wütend. Ich fühle mich missverstanden. Ich fühle mich verraten - von jemandem, von dem ich es am wenigsten gedacht hätte. Was dachte sich Sir Pakusch, indem er mich überging? Für wen hält er sich? Wofür er sich hält hat er recht deutlich gemacht: für einen Ritter, für jemanden, der weiß, wie Dinge geschehen. Für jemanden, der meint, mich zu verstehen. Doch hatte ich nicht das Gefühl, dass er das tut - in keinster Weise. Sonst hätte er mich gefragt. Sonst hätte er mich einbezogen. Sonst hätte er mir die Gelegenheit gelassen, dass ich "Nein" hätte sagen können. Er hält mich nicht für bereit, dass ich dieses Opfer mache. Doch er sieht es falsch. Er scheint zu denken, dass meine zornigen Worte Selbstsucht sind. Doch das sind sie nicht. Er scheint zu denken, dass meine Gedanken sich nur um mich drehen. Doch scheint er keinerlei Verständnis für diese Situation zu haben. Vielleicht hat er es, doch er hat sie mir nicht gezeigt. Er hat mir nicht das Gefühl gegeben, dass er mich versteht. Natürlich denke ich über mich nach. Natürlich, denn der Schmerz ist groß. Wenn ein Arm blutet, dann denkt man auch an diese Wunde. Wenn man sich konzentriert, dann kann man versuchen, die Gedanken davon abzulenken. Und das ist mir gelungen die letzten Zehntage. Nicht immer. Doch mehr als nur einmal und mehr als nur in unwichtigen Situationen. Das erkennt er nicht. Oder wenn er es macht, hat er es mir nicht gezeigt. Er scheint nicht zu verstehen, was für eine Kraft es mich kostet und was für eine noch viel größere Kraft es mich gekostet hat, nicht über den Tisch zu springen und ihn zu schlagen. Denn mir fehlt die Fröhlichkeit. Ja, ich habe sie noch - jene anderen Gefühle, die helfen. Mitleid, Sorge, Gerechtigkeitsempfinden, Reue, Scham, Gewissen. All das habe ich noch. Doch ohne Fröhlichkeit, ohne diese Möglichkeit, Glück zu empfinden, wirken sie alle wertlos und glanzlos. Fröhlichkeit ist ein Schild der Seele. Sie beschützt uns vor den Wunden, die ihr zugefügt werden können und sie heilt sie, wenn doch einmal jemand hindurchstechen kann. Ohne sie verkümmert die Seele, sie verendet, verdurstet, verhungert - sie stirbt. Ohne sie fehlt die Kraft - zumindest mir - all das anzugehen, was ich anstrebe. Mir bleibt im Moment nur mein Wille und mein Glaube daran, dass es wichtig ist, das Richtige zu tun. Doch es ist anstrengender - so viel anstrengender! Es ist, als ob man mit einem Arm auf dem Rücken einen Berg hinaufklettern muss. Er hat mein Opfer als Eigennutz bezeichnet. Versteht er nicht, wie sehr dies schmerzt? Nur weil er meint, dies jetzt in mir zu sehen, wo ich nicht "ich" bin? Das Opfer war kein Eigennutz, denn ich habe nicht an mich gedacht. Ich habe nur gesehen, dass der Dämon gebannt werden muss, ich habe nur gesehen, dass Unschuldige sonst leiden - und ich habe gesehen, dass Sir Pakusch und Rashal sonst nicht aus dieser Zeitschleife ausbrechen können. Ich habe in keinem Moment an mich gedacht. Das könnte er mir vorwerfen! Aber sicherlich nicht, dass ich an mich gedacht hätte - denn das ist schlicht und ergreifend nicht wahr. Man kann mir viel vorwerfen und mit einigem davon hatte er recht. Man kann mir vorwerfen, dass ich aufbrausend bin, man kann mir vorwerfen, dass ich störrisch bin, dass ich zu wenig Rücksicht auf mich nehme, dass ich mir selbst zu wenig Wert zugestehe, dass ich zu idealistisch bin, dass ich zu naiv bin. Doch sicherlich nicht, dass ich eigennützig bin! Das hat getroffen und er weiß vermutlich noch nicht einmal, wie sehr. Mag sein, dass meine Seele von der Wunde des Rachedämons heilt, doch das? Ich weiß es nicht, ob es das können wird. Er hat mich nicht gefragt, er hat mich wie ein kleines Kind behandelt. Er behauptet, er würde sehen, dass mein Weg ein anderer wäre - und die Zeit noch nicht reif für mein Opfer wäre. Auf meine Worte, dass Unschuldige nun darunter leiden müssten und dass es dies nicht wert wäre, antwortete er nur, dass er glaubt, dass mehr Unschuldige leiden, wenn ich dieses Opfer vollzogen hätte. Er behauptet, ich werde noch gebraucht, er behauptet, er könnte es sehen. Aber dennoch hat er mich entmündigt in diesem Moment. Mir ist es egal, ob ich Ritterin werde oder nicht. Wenn Unschuldige dafür leiden müssen, dann will ich das nicht. Ich hätte kein Problem damit gehabt, wenn ich eben gestorben und verkümmert wäre, keine Ritterin geworden wäre, weil mich diese Wunde in der Seele dahingerafft hätte. Es wäre in Ordnung gewesen. Ich habe mich aus freien Stücken entschieden, diese Menschen zu beschützen. Genau, wie ich mich damals aus freien Stücken entschieden hatte, Davek den Rückzug zu gewähren, als wir im verlassenen Dorf von einem Riesen belagert wurden. Versteht mich nicht falsch. Ich hänge an meinem Leben - sehr sogar. Ich lebe gerne. Zumindest habe ich das, als ich dieses Gefühl noch empfinden konnte. Es gibt so viel da draußen, was ich erleben will. So viele Menschen, die mir etwas bedeuten - selbst einige, von denen ich es nie gedacht hätte. Doch ich bin nicht bereit, dass irgendjemand auch nur einen Preis dafür zahlen muss, weil ich Ritterin werden will. Ja, wenn er meint, dass ich nicht bereit bin, dann vielleicht in dieser Hinsicht. Aber die Einzige, die einen Preis dafür zahlen sollte, um Ritterin zu werden, bin ich - niemand sonst. Wenn auch nur einer darunter leiden muss, dann ist es nicht richtig und ist es nicht wert. Ich brauche weder Titel, noch Rang, noch sonst etwas. Ich bin eine einfache Kriegerin und werde es immer sein - egal, ob ich eines Tages einen solchen Titel haben sollte oder nicht. Mag sein, dass er vorausschauen kann. Mag sein, dass er mich nicht bereit hält. Doch ich bin Taktikerin. Ich weiß, dass es manchmal notwendig ist, eine Figur zu opfern, um zu gewinnen. Nicht jeder wählt die gleiche Zugfolge und es gibt Leute, die ganz ohne Opfer spielen. Doch das ist nicht immer möglich und führt all zu häufig ganz zur Niederlage. Opfer sind notwendig und wenn sie einen Teil einer selbst opfern, dann sind sie um so ehrlicher und uneigennütziger. Ich weiß, wie Dinge ablaufen können. Ich denke. Ich plane. Ich handle. Ich ziehe Konsequenzen. Doch er hat mich dieser Konsequenzen nun beraubt. Er hat alles rückgängig gemacht. Er hat den Wert meines Opfers zunichte gemacht. Was bleibt mir noch? Er behauptet, dass es mich stärker gemacht hätte. Das weiß ich nicht. Ich glaube es nicht. Ich fühle nur Schmerz. Denn diesen habe ich schon jetzt seit Zehntagen gefühlt. Die ganze Tortur dieser letzten Zehntage, in denen ich mich zurückgezogen habe, in denen ich innerlich gekämpft habe, um auf dem richtigen Weg zu bleiben, all das ist nun umsonst gewesen. Der Dämon ist wieder frei. Die Familie ist in Gefahr. Mirhaven ist in Gefahr. Amdir ist in Gefahr. Und ich? Ich bin immer noch verwundet. Ich bin nicht geheilt. Und ich bin müder denn je. Doch gerade jetzt darf ich nicht aufgeben. Denn auch wenn Sir Pakusch [u]mein[/u] Opfer nicht zu schätzen scheint, es mir nicht anerkennt, ich wiederum weiß um den Wert [u]seines[/u] Opfers. Ich kann verstehen, was er tat. Denn ich hätte es vielleicht ähnlich gemacht. Erst gegen Ende rückte er damit heraus, dass es seine eigene Impulsivität war, sein eigener störrischer Wille, niemanden von seinen Leuten gehen zu lassen. Wieso hat er das nicht gleich gesagt? Wieso hat er es versteckt hinter Worten von Berechnung? Hinter vorgeschobener Belehrung? Wieso hat er es dahinter versteckt, dass er mich gering geschätzt hat? Wieso nicht direkt? Ich glaube, ich hätte es direkt verstanden und viele Worte wären nicht gefallen, wie sie gefallen waren. Aber ich hätte verstanden, was er wollte! Warum er es tat! Ja, ich bin wütend auf ihn. Doch ich werfe es ihm nicht vor. Er ist ein großer Mann. Ich habe Respekt vor ihm. Doch bei allen Worten, die er gestern so ruhig sprach, all die Fehler, die er mir vorwarf, er beging sie selbst. Nur dass er sie nicht zugibt. Vielleicht kann er das auch einfach nicht in seiner Position. Vielleicht ist das mein Fehler. Doch ich werde nie so sein können und nie so sein wollen. Ich will so sein, wie ich bin. Er trägt nun die Schuld - gemeinsam mit mir. Denn auch wenn er behauptet, allein die Schuld zu tragen, das tut er nicht. Denn meine Handlung in jenem Haus führte dazu, dass nun auch an seinen Händen Blut zu kleben droht, wenn der Rachedämon nun auf freiem Fuß ist und jemanden tötet. Hätte ich nicht so gehandelt, wie ich gehandelt habe, dann wären wir weder in der Schuld eines Feindin, noch hätte Sir Pakusch jene Last auf den Schultern, noch würde diese Last auf den Schultern unserer Winterwächter nun liegen. Aber ich weiß nun, was ihn bewegen muss. Ich meine, es in seinen Augen gesehen zu haben. Doch im Gegensatz zu ihm weiß ich Selbstlosigkeit zu schätzen - und erkenne sie an. Daher werde ich weiterkämpfen und dieses Opfer, dieses Risiko nicht ohne Wert dastehen lassen. Allein deswegen werde ich versuchen, dass irgendetwas Gutes daraus erwachsen kann. Etwas, das vielleicht über den Wörtern stehen kann, die gestern fielen. Wir trennten uns nicht im Streit und dennoch bin ich unsicher, ob es im Guten war. Ich hoffe es. Wenigstens sein Opfer wird nicht ohne Wert gewesen sein. Es wäre schön gewesen, wenn er auch meine Handlungen so zu schätzen wüsste. Es war nicht richtig, was er gemacht hat - auf so vielen Ebenen. Ich halte es für falsch. Genau wie andere Dinge, die im Fahrwasser dieser Entscheidung passiert sind - diese sogar noch mehr für falsch. Doch ich muss mich damit arrangieren. Ich muss probieren, das Beste daraus zu machen. Die Kerze darf nicht erlöschen. [...] [/i][/quote] |
02.04.2014 10:41:23 | Aw: Das Buch - Über die Tugenden (#76035) |
Amari | [quote][i] [...] Viel war ich unterwegs und viel habe ich gesehen. Ich bin Amdir hinauf und hinabgereist - auf der Suche. Welche Suche? Manchmal gab es Tage, an denen ich gar nicht mehr genau wusste, welche es war. War es die Suche nach einem Heilmittel für die Wunde in meiner Seele? War es die Suche nach Orten, an denen Aurils Diener im Eis lauerten? War es die Sache nach dem Rachedämon, der wieder frei war? Oder die Suche nach mir selbst? Nach Erleuchtung? Wenn man unterwegs ist, wenn man einsam ist, dann wandern auch die Gedanken. Man ist allein mit ihnen und kann sich nicht vor ihnen verstecken. Man denkt nach. Zunächst über die Welt, dann über andere Menschen - aber früher oder später kommt man an einen Punkt, an dem man gezwungen ist, über sich selbst nachzudenken. Das ist nicht immer angenehm. Denn wir alle tragen Dinge in uns, die wir ungerne sehen. Unterwegs auf einsamer Wanderung ist man mit genau diesen Dingen allein. Dies ist besonders schwierig, wenn die eigene Seele verwundet ist, wenn man keine Freude mehr verspüren kann. Denn dann erkennt man nur die Sorgen, die Probleme und nicht mehr das Licht der Welt. Doch wir Streiter für das Licht brauchen genau selbiges. Denn sonst vergehen wir. Wir brauchen das Licht wie die Pflanzen das Wasser. Viel dachte ich nach allein am Lagerfeuer oder allein in einer Taverne am Wegesrand über einen Teller lauwarme Suppe gebeugt. Ich bin keine gute Gesellschaft in diesem Zustand, das weiß ich. Wie gerne würde ich all die Menschen treffen, die mir etwas bedeuten - abseits der Pflichten und Aufgaben. Doch ich will nicht, dass sie mich so sehen und erleben. Ich will nicht, dass meine Verletzung sie verletzt. Aber das könnte sie. Wenn sie kein Verständnis haben. Aber sollte ich ihnen nicht vertrauen, dass sie diese Verständnis haben? Das sollte ich. Doch ich habe Angst vor dem Gegenteil. All das, wofür ich gearbeitet habe, all das, wofür ich gekämpft habe, könnte durch ein freudloses Gesicht zunichte gemacht werden. Es könnte Gräben graben, Wunden schlagen. Ich habe gesehen und gehört, welche Worte zwischen mir und Sir Pakusch gewechselt wurden nach seiner Entscheidung. Ich hatte den Zorn in mir gespürt, dem wenig entgegenstand. Es fiel mir schwer, dies zu zügeln. Nur die Dankbarkeit stand allem entgegen und gab mir die Kraft, den Zorn in die Knie zu zwingen. Sir Pakusch ist ein guter Mann. Ich bete, dass er mir dies nicht übel nimmt und Verständnis für meine Situation hat. Denn es ist nicht einfach, wenn einem das Licht in der Seele zum Teil fehlt, dennoch diese zu erleuchten. Genau davor habe ich aber Angst, dass solche Worte auch zwischen mir und anderen Menschen fallen könnten, die mir wichtig sind. Ich bin schwieriger zurzeit als früher. Das ist nicht gut. Doch brauche ich diese Menschen ebenso sehr, wie das Licht. Ich muss wissen, dass sie da sind, dass sie an mich glauben, dass sie hinter mir stehen. Dies ist fast genauso kraftspendend wie das Licht; vielleicht sogar mehr. Wieso meide ich diese Menschen also, wenn sie doch genau meine Stütze sein könnten? Als ich vor wenigen Tagen zurückkam auf die Winterrache wurde es mir bewusst, warum ich sie gemieden hatte. In meinem Unterbewusstsein ahnte ich es bereits, denn ich hatte die Gerüchte gehört und bei meinen Besuchen in der Kaserne und bei mancher Patrouille in Mirhaven bekam ich es mit. Es gab genug Probleme. Ich konnte und wollte ihnen nicht auch nich diese Bürde auflasten. Dies ist meine Bürde, die ich zu tragen habe. Ich habe sie selbst verschuldet durch mein Opfer und ich muss die Konsequenzen tragen. Doch mir fehlen diese Menschen. In all der Einsamkeit der letzten Zehntage auf den Straßen, bei all den Arschtritten, die ich Räubern und Gesindel und Goblins und anderen Monstern verpasst habe, es gab mir keine Genugtuung. Nichts kann die Gemeinschaft und die Gesellschaft derer ersetzen, die einen mögen - oder lieben. Auch wenn es mir schwer fällt, dieses kitschige Wort zu schreiben. Es ist so viel wert, jene zu haben, die hinter einem stehen - trotz der eigenen Fehler oder vielleicht gerade wegen ihnen. Ihr fehlt mir, auch wenn ich dies nie sagen würde und ihr dies nie lesen werdet vermutlich. Doch allein der Gedanken an euch lässt diese taube Stelle in meiner Seele vergessen - wenigstens für einen kleinen Moment. [...] [/i][/quote] |