08.09.2012 11:38:27 | Tammi Leisetritt - Ein Rückblick (#62940) |
NackterGolfer | [b]Prolog: Finsteres Versprechen[/b] Die Calimwüste bei Nacht, kalt und unbarmherzig, es ist Neumond und nur die Sterne funkeln am wolkenlosen Nachthimmel. Die Schreie eines tödlich verwundeten Dromedars ersterben und ein junger Mann in schwarzer Wüstenkleidung wischt den blutigen Säbel an seinem Beinkleid ab. Er ist nicht gut zu erkennen, wie er dann regungslos da steht und in die Schwärze der Nacht starrt. Seine Kumpanen im Schein einzelner Fackeln sind mit der Plünderung der Karawane beschäftigt, die ihnen zum Opfer gefallen ist. Es soll keine Überlebenden geben, und die gab es auch noch nie, nur der Karawanenführer, der soeben einen schweren Münzsäckel überreicht bekommt, würde diesen Handelszug zu Ende führen. Plötzlich erklingt ein leises ersticktes Geräusch, nicht weit entfernt vom jungen Mann, der sich sofort in Bewegung setzt. Mit weiten ausholenden Schritten rennt er zum Ursprung des Geräuschs, und da sieht er eine Gestalt die durch den Wüstensand flieht. Sie ist klein und fast hätte er sie wohl nicht gesehen, doch etwas an der Gestalt reflektiert das Fackellicht hinter ihm. Es dauert nur wenige Augenblicke, da hat er sie eingeholt und mit dem Säbel durchbohrt. Ein leises Ächzen und die Gestalt fällt zu Boden, lässt ein Bündel fallen und dreht sich mit letzter Kraft um. Eine Halblingsfrau mit blasser Haut, sie macht keine Anstalten, das Ausströmen ihres Blutes zu verhindern. „Gnade, Herr“, flüstert sie in der Handelssprache und flehendem Blick, einen Arm zum Bündel ausgestreckt. Der junge Mann starrt sie an, sagt nichts, nach einer Weile tötet er die Frau mit einem Stich ins Herz. Dann fällt sein Blick auf das Bündel, dem ein leises Wimmern entrinnt. Der junge Mann nimmt es in den Arm und erblickt einen Säugling. „Keine Überlebenden.“, flüstert er dem Baby zu, und starrt in dessen Augen. Er zögert erst, dann zieht er langsam seinen Dolch, hält ihn dem Säugling an die Kehle und verharrt erneut. Eine kleine Hand reckt sich aus dem Bündel hervor und versucht ihn an der Nase zu ziehen, der junge Mann runzelt die Augenbrauen. Es scheinen Minuten zu vergehen, da spricht er leise: „Dieser Dolch wird Dich töten.“ Er versteckt das Babybündel in seinem weiten Umhang, und kehrt zu seinen Kumpanen zurück. Am nächsten Morgen sieht man ihn wieder, diesmal im Trubel der Wüstenmetropole Calims Hafen, er betritt das Hinterzimmer eines Freudenhauses und redet auf die Besitzerin ein. Er bezahlt in Münzen und übergibt das Bündel. Dann stürmt er hinaus und verschwindet in der endlosen Menschenmenge, die sich durch die Stadt windet. |
08.09.2012 11:39:08 | Aw: Tammi Leisetritt - Ein Rückblick (#62941) |
NackterGolfer | [b]Kapitel Eins [/b] Eine junge Halblingsfrau - oder ein Hafenkind, könnte man meinen - die auf der Hafenmauer sitzt, hinunter starrt und die Beine baumeln lässt. Ihr spitze Nase zuckt manchmal, ihr restliches Gesicht wird von einem großen Hut verborgen. Ja sie war hier angekommen, und hatte Freunde gefunden, zumindest glaubte sie das. Sogar die Wachmänner waren nett, naja meistens. Trotzdem dachte sie zurück an die glorreiche Hafenstadt in der sie aufwuchs. Zumindest hat es da nicht so oft geregnet wie hier, Tammi versinkt in Gedanken. Doch als sie sich dabei ertappt, denkt sie angestrengt an Fischsuppe. Fischsuppe Tag ein, Tag aus Fischsuppe. Sie schüttelt sich angewidert und doch, wie ein Sog ziehen sie die Erinnerungen in die Vergangenheit. An was kann man sich in seiner Kindheit erinnern? Alles verschwimmt in einem Brei aus Gefühlen, Augenblicken und Gerüchen. Von ihrer frühen Kindheit im Freudenhaus sind Tammi nur wenige Eindrücke geblieben; da war ihre Ziehmutter, eine Hure mit langem schwarzen Haar, die sie in den Schlaf sang. Da waren andere Kinder, Menschenkinder, die sie alle an Stärke und Größe übertrafen. Da war Fischsuppe und der schwere Geruch von Parfümen und Duftölen. Da war das Stöhnen der Huren, das Geschrei der Kinder und der markerschütternde Befehlston der Besitzerin. Und da war der Tag, an dem sie zum ersten Mal in das Leben und den Trubel einer Großstadt hinauskatapultiert wurde. Es ist früher Morgen, die meisten im Haus schlafen noch, es ist ruhig und nur von draußen dringt der Lärm der niemalsmüden Stadt hinein. Auch Tammi schläft, auf einem alten Ofen in der Küche. Ein dunkelhaariger Mann kommt zusammen mit der Besitzerin hinein, sie unterhalten sich, die Puffmutter zeigt auf das Halblingskind von gerade mal zehn Jahren. Der Mann ist nicht zimperlich, er greift nach dem Kind und legt es sich auf die Schulter. Das Kind fängt an zu strampeln und zu weinen, eine Stoffpuppe - die aussieht, wie eine gestreifte Katze - in den Armen. „Thamira! Sei still!“, die Besitzerin kneift sie in die Wange, „Das ist Finn, er passt jetzt auf dich auf.“ Der Mann nickt wortlos, und das Mädchen beruhigt sich. Dann verlassen sie die Küche, die Puffmutter hält die Hand auf und der stille Mann füllt sie mit einem klimpernden Geldbeutel, dann setzt er sich in Bewegung. Das Sonnenlicht blendet und Tammi hält sich die Hand vor die schlaftrunkenen Augen, doch rasch hat sie sich an die Morgensonne gewöhnt und schaut neugierig umher. Schiffsmasten, halbtrunkene Seemänner, Hafenarbeiter, das Geschrei der Möwen, ein riesiges Hafenbecken. Noch gibt es eigentlich nicht viel zu sehen, außer einem Schiff das die Leinen ablegt, und Fahrt macht. Doch Tammi sieht diese Dinge zum ersten Mal bewusst und aus einer neuen Perspektive. Der Weg ist weit, fort vom Hafen, sie passieren zwei Tore in eine heruntergekommene Gegend. Die Häuser, Behausungen eher, sind aus löchrigem Holz, die Straßen mit Abfall und Bettlern gespickt. Der Geruch einer Gerberei hängt in der Luft, es stinkt. Finn hat sich inzwischen entschieden etwas langsamer zu laufen und hat das Mädchen abgesetzt, zieht es hinter sich her. Dann bleibt er stehen und zeigt auf eine hölzerne Hütte, zieht Tammi hinein. Das Mädchen ist still, wie schon die ganze Zeit, schaut sich in der Hütte um. Es gibt zwei Türen, eine zur Straße und eine nach hinten, zwei vergitterte Fenster, oder eher Löcher in der Wand. Da steht ein Bett, ein Tisch, vier Stühle, ein Schrank und eine Kochstelle. Dreckige Teller und Becher stapeln sich auf dem Tisch, und Finn zeigt erst auf das Geschirr und spricht: „Mach dich nützlich.“ Tammi ist eingeschüchtert, und geht zögerlich zum Tisch, über einen Stuhl klettert sie nach oben und Finn reicht ihr einen Lappen und einen Eimer mit kaltem Wasser. Hausarbeit, Geschirr abwaschen, Putzen den ganzen Tag, zum Abendbrot gibt es ledrigen Trockenfisch, den Tammi hungrig hinunter würgt. Sie weint und er schlägt sie, bis sie Ruhe gibt. Sie schläft in einer Ecke - mit Stroh ausgelegt - in eine Decke eingerollt. |