Zurück zu "Valgard [RP - Forum]"

02.04.2012 15:41:12
Tränen der Verzweiflung - Tränen des Glücks (#58446)
Morna
Für einen Zauber, den sie wirken muss, gehören manchmal auch ungewöhnliche Komponenten. So auch hier. Sie brauchte [url=http://amdir.de/index.php?option=com_kunena&func=view&catid=21&id=57195&Itemid=128#57587]Tränen der Verzweiflung und Tränen des Glücks[/url], von einer Person.

Und so begann es:


[b]Tränen der Verzweiflung[/b]

Es war der Teil des Handelsweges zwischen Elboria und Mirhaven, der unübersichtlich und gewunden sich hinzog. Die Büsche standen bis dicht an die Straße und warfen lange Schatten auf den Weg. Aber es war Nacht, und so war der Weg ohnehin verwaist.

Im Unterholz zwischen einigen Bäumen hatten sie ihren Posten bezogen. Sie waren dunkel gekleidet und verhüllt. Und sie warteten. Sie wussten, sie würde hier vorbekommen – irgendwann. Und sie hatten Zeit. So viel Zeit, wie es braucht, um das zu tun, was man vorhat: Leid bringen, Demütigung und Verzweiflung.

Die Nacht verging mit leisen Gesprächen, die nicht mal vom Rauschen des Windes übertönt wurden.

Erst als es hell wurde und die erste Morgensonne sich zeigte, wurde es lebhafter. Ein fahrender Händler zog seinen rumpelnden Karren Richtung Mirhaven. Ein liebender Mann, der seine hochschwangere Frau geleitete, folgte und zog vorbei.

Kent und Philomena schüttelten den Kopf: verlockend, aber – nicht das richtige. DIE richtige. Sie hatten Zeit.

Und richtig: die Stelle war gut gewählt. Ein Mädchen näherte sich, man hörte sie leise singen, irgendein unbedeutendes Liedchen voller Lebensfreude. Sie kam näher. Philo hielt den Atem an und starrte in die Richtung. Die Halbelfe mit goldroten Haaren, die so lang über den Rücken fielen, und von einer Spange gehalten wurden, geriet in Kents Blick und wurde ihr Ziel in so greifbarer Nähe.

So sollte es also beginnen:


Der Mann, der sich völlig vermummt hatte und ein Mundtuch trug, sprang aus den Büschen hervor auf die Straße und spielte eine weichfließende Flötenmelodie: die Schritte der jungen Frau verlangsamten sich und schließlich gaben die Beine unter ihr nach, sie brach schlafend zusammen und ließ fallen, was sie trug.

Philo und Kent hatten Glück - die Straße war frei in diesen Moment: kein Reisender, kein Karren. Und er konnte die Person wegtragen, hin zu dem Ort, den sie als Versteck gewählt hatten. Philo hingegen sammelte auf, was niederfiel, damit kein vorbeikommender Wanderer etwas Auffälliges sehen konnte.


Da lag sie nun: Das Haar von einer Spange gehalten, die grünen Augen geschlossen, Wangen wie Milch und Honig und Kent lächelte kalt. Das Gesicht, was er sah, kannte er, in allen Variationen und Stimmungen und noch nie war es ihm so gleichgültig gewesen wie jetzt.

„Lass es uns beginnen, Philomena.“, gab er ihr das Signal.

Und die Magierin weckte sie auf, erfreute sich an dem hoffnungsvollen Gesicht, das sich zeigte, als sie Kent erblickte. Das junge Ding wußte nicht, wo es war, stammelte, wollte sich aufrichten, aber Philomena hielt sie unerbittlich fest.
02.04.2012 15:46:39
Aw: Tränen der Verzweiflung - Tränen des Glücks (#58449)
Morna
[b]Die Umsetzung[/b]


Und Kent? Er sprach mit ihr:

„Wo bin ich? Bin ich ohnmächtig?" - „ Nun, so kann man es sagen. Ich würde nicht sagen ohnmächtig, sondern tot. Du bist tot geworden, zumindest bist du es gleich“

Die Gestalt wollte aufbegehren, wurde aber von der Magierin erstaunlich kraftvoll daran gehindert.

„Du hast zwei Möglichkeiten: es wird unangenehm wenn du einfach ruhig liegen bleibst... und es wird richtig unangenehm wenn du rumzickst.“, und legt dabei die Hand auf den Rapier.

Die Lichtgestalt wehrte sich, wollte Antworten auf ihre Fragen.

„Du fragst, warum? Und was du getan hast? Das weißt du ganz allein, oder nicht?“

Die Halbelfe traute ihren Augen und Ohren nicht, verhielt sich aber angespannt ruhig, als wolle sie ihm Gelegenheit geben, es sich zu überlegen.

„Ah... ich sehe, du bist vernünftig: eine gute Entscheidung... was hältst du davon? ich spiele dir ein Lied. Du hast es immer geliebt, wenn ich dir gespielt habe. Ich spiele ein letztes Mal“, seine Stimme lies einen erschauern dabei: Sanft und weich wie ein Barde und unnachgiebig kalt wie poliertes Eis.


Die Lippen des Bardlings waren spröde vor Angst und Wut und aufkommender Panik. „Ein Lied? Hier? Jetzt?“


„Natürlich. Ein Requiem. Dein Todeslied“, sagte er mit beissendem Spott.

Philomena musste sich anstrengenden, die junge Frau zu halten, die sich auflehnte. Längst hatte das junge Ding keinen Blick für die Magierin, die verhüllt neben ihr kniete, sie spürte nicht mal ihre Griffe. Ihre Blicke galten allein Kent. Und das war gut, brauchte Philo doch jetzt alle Kraft, um die sie die Göttin still bat.


„Du willst mich umbringen? Aber… Warum?“

„Es ist nichts persönliches, du hattest das Glück, ausgewählt worden zu sein. Naja… eigentlich doch“, bedachte er sie ungerührt und griff zur Laute. Die Stimme des Barden erklang zu einem Lied des Grabes, schmelzend und finster zugleich:

Schönes Kind, die Zeit verrinnt,
zeichnet deinen Leib geschwind.
„Festes rosig Fleisch wird grau,
deine Hände runzlig, schau!“
„Dein Haar eben noch in vollem Glanz,
Weiß ist es nun voll und ganz.“
„Jugendkraft in dir geborgen,
geht nun all an mich verloren.“
„Dein Leben ist nun fast verwirkt,
der Moment der Tod dir birgt-
kommt heran auf leiser Sohl.
Mein letzter Wunsch... lebe wohl.“

Und während des Eindringlichen Spiels geschieht folgendes:

Zusehends wird sie schwächer, als ob die Töne Kraft und Leben aus ihr ziehen.

Zarte jugendliche Hände bekommen Altersflecken, dicke Adern ziehen sich über den Handrücken, die Nägel werden zu gelblichen Krallen. Das Lied raubt Energie und lässt den Körper matt werden, kraftlos und verfallen. Die Haut wird welk und schlaff. Die Spange, die das volle Goldblonde Haar zierte wirkt wie ein Anachronismus im Aschegrau, dann im dreckigen Weiß und verrutscht.

Die Musik ist betörend und eindringlich. Nicht umsonst ist er der beste Barde Amdirs: Nichts kann seiner Wortgewalt und seinem Zauber widerstehen. Und Kent droht der jungen Frau, deren Züge für ihn unverändert sind. Er sieht den Bardling vor sich, der allmählich von Verzweiflung ergriffen wird. Denn es ist nur die junge Frau, in deren Kopf oder vor deren Augen die Änderung stattfindet. Philomena, die den immer schwächer werdenden Körper hält, ist ganz ruhig. Ihr Stimme wie ein schneidendes Schwert, als sie der Frau ins Ohr haucht: „du warst so jung, so schön, so liebreizend. Nie mehr wirst du die Lippen eines Liebsten spüren. Du bist… ALT“.


Es strengt Philomena an, diese Illusion des Alterns heraufzubeschwören, der verhassten Halbelfe vor Augen zu führen, wie sie sein wird, wenn es zu Ende geht. Die Herrin der Schatten gewährte ihr stärkere Kräfte, als sie zuvor hatte, sie konnte stärkere intensivere Illusionen weben. Sie ergänzte den Grabgesang des Barden, dessen Lied zwar Leben und Kraft zog, aber keinen wirklichen Alterungsprozess in Gang setzte. Das war nun ihre Aufgabe, wenn sich wirkliche Verzweiflung in den Augen zeigen sollte. Grüne Augen, die ihn und sie neulich so höhnisch ansahen. Liebe? Nein, die war schon längst in ihm erloschen.


Und die junge alte Greisin fühlt wie ihre fahlen wässrigen Augen sich füllen. So viel hatte sie noch vor, Leben, Lieben, Kinder, Musik… nichts…. verronnen, verloren innerhalb von Minuten. Sie wollte nicht sterben. Sie wollte nicht die Greisin sein, die sie jetzt war. Sie wollte doch leben! Und die Augen gingen über, und Tränen rannen über das runzlige Gesicht, fing sich in Wangen, die von tiefen Kratern durchzogen waren.

Philo flüsterte: „Du Arme, so schön bist du gewesen und nun….? Niemand wird dich mehr lieben. Niemand! Du bist… ALT“ , die Stimme wie ein Peitschenschlag, der direkt in des Opfers Kopf widerzuhallen scheint.

Kent zückte ein kleines Stoffstück, wohl aus einem Saum geschnitten und beugte sich zur Lichtgestalt hinab, tupfte so zärtlich und behutsam wie bei einem Kind die Tränen ab, die so reichlich quollen. Die schmalen Schultern bebten haltlos. Welch Ironie dazu seine letzten Worte:
„Lebe wohl“ Kent hauchte die letzten Worte nur, ehe er lachte. „Gib mir deine Jugend, Süße, und deine Tränen, du brauchst sie ja nicht mehr“.


Wolken zogen über den Himmel hinweg und hatten nichts gesehen. Blätter raschelten , kündeten vom baldigen Laubfall. Ganz in der Ferne hörte man das Trappeln von Hufen auf dem Handelsweg.
Philo ließ die nutzlos gewordene Frau auf den Boden sinken. Sie war selber sehr erschöpft und berauscht gleichermaßen. „Lass es gut sein, Kent, du hast, was du wolltest. Gibst du mir den Stoff?“ Damit würde sie das tränenfeuchte Saumteil an sich nehmen. Wie gut es sich doch anfühlte!
02.04.2012 15:50:04
Aw: Tränen der Verzweiflung - Tränen des Glücks (#58450)
Morna
[b]Tränen des Glücks[/b]


Der Rest war schnell erzählt:

Das Ganze, was der Lichtseele so lange anmutete, dauerte in Wirklichkeit nur wenige Minuten. Es war die Verbindung von Gesang und Illusion, die es so lebendig wirken ließen – im Kopf der Frau.

Kents neuerliches Lied schickte die Frau wieder ins Reich des Schlafes, ließ Traum werden, was gewesen war. Ein junges Mädchen mit prallen glatten Wangen, die von Tränenspuren gezeichnet waren, langen Wimpern und goldigem Haar wurde wenig später auf dem Weg von einer hilfsbereiten unbekannten Frau aufgefunden, wachgerüttelt.

„Meine Liebe, was liegt ihr hier, mitten auf dem Weg? Ihr seid wohl ohnmächtig geworden?“ , ein mütterlich-gütiger Blick aus blauen Augen legte sich auf die schmale Gestalt.

„Kommt, ich helfe euch auf. Sicher habt ihr nicht genug gegessen, um eure Linie zu halten. Und habt geschwächelt.“

Erst nach und nach dämmerte es dem Mädchen, als sie ungläubig ihre Hände besah, und in ihr volles weiches Haar griff, das in der Sonne leuchtete. Sie war jung! JUNG! Und sie lebte.


„Ich träumte?! Ich sah mein Leben entgleiten, aber – ich lebe!“ Sie befühlte ihr Gesicht, das faltenfrei war wie zuvor.

Die Tränen des Glücks, die daraufhin ungehemmt über die Wangen liefen und die anderen Tränenspuren wieder aufnahmen, wurden von der unbekannten Helferin von den Wangen getupft.
Dass das Tuch schon feucht war, fiel gar nicht auf. „Na, na, nun weint doch nicht. Eilt! Lauft! Werft euch eurem Liebsten in den Arm. Er hat sicher schon Sehnsucht.“ Ein letztes Auffangen einer tropfenden Träne, dann verbarg sie das Stoffstück in ihrer Tasche.

Die Fremde half ihr auf, und drückte ihr in die Hand, was sie fallengelassen hatte. Und… machte sich auf in die andere Richtung. Daß sie nach wenigen Metern wieder im Unterholz verschwand, wurde nicht gesehen. Und als 10 Minuten später ein paar Halblinge munter pfeifend und herumalbernd den Weg beschritten kündete nichts mehr von dem Drama, das sich hier abgespielt hatte. Ein ganz normaler Tag hat begonnen.