02.03.2012 10:58:22 | Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#57195) |
Morna | [spoiler]Hier ist Platz für alles Mögliche, was in ihrem Zimmer geschehen kann. Wenn jemand meint, es passt, dass er dort erscheint zu einem Gespräch oder etwas hinterlassen will, nur zu. [/spoiler] Die Flamme der Kerze flackerte, als Philomena den Leuchter hinüber zum Schreibtisch trug und ihn abstellte. Der Tisch war bedeckt mit Folianten, Schriftrollen, doch auch eine schmuckvolle Karaffe, halb gefüllt mit dunkelrotem Wein, nebst einem kleinen Silberbecher stand darauf. Das Zimmer selbst war eines der einfacheren des Gasthauses, recht schmucklos gehalten, doch war es eindeutig das Zimmer einer Frau – dort hing ein schmeichelnder Seidenschal halb über der Stuhllehne, eine Blüte stand in einer kleinen Vase neben dem Bett und ein Zettel, recht zerknittert von kunstvollen Faltungen, die dann wieder geglättet wurden und mit feiner Schrift versehen waren, lag daneben. Auch der subtile Duft, der zu Philomena gehörte und von einer ganz speziellen Mischung kündete, hing in der Luft, untrennbar mit ihr verbunden. Es war still im Tänzelnden Schatten, die anderen Bewohner hatten sich längst zur Ruhe begeben und schliefen. Nur ab und zu hörte man draußen vor dem Fenster die schweren Schritte der gepanzerten Schwarze Garde, die ihren Wachdienst versah und patrouillierte. Der huschende Schatten einer lautlosen Fledermaus verdunkelte kurz das einfallende Licht vor dem Fenster. Nacht. Zeit der Einkehr, der Rückschau, der Besinnung. Die junge Magistra liebte die Nacht mit all ihren Eindrücken, hatte sie doch das Gefühl, das ihre Sinne dann besonders geschärft waren. So schenkte sie sich etwas Wein ein, öffnete ein altes, schon recht abgegriffenes Buch mit einem verzierten Ledereinband und nahm die Feder zur Hand. Gedanken.... Fetzen.... Pläne.... Ziele..... der Wirbel in ihren Gedanken beruhigte sich, sie kontrollierte sich, wie sie es gelernt hatte und begann zu schreiben. [i]„Die ersten Tage in Valvec Ich hatte Glück. Glück, dass ich an meinem ersten Abend gleich zu einer Feierlichkeit geladen wurde. Niemand kannte mich, ich denke, es war reine Höflichkeit, mich nicht stehen zu lassen, und doch: es war mehr als hilfreich. Wann hat man schon Gelegenheit, die wichtigsten der Stadt versammelt zu sehen? Die ersten Kontakte wurden geknüpft, zumindest konnten die Leute nun den Namen Philomena mit einem Gesicht verbinden. „[/i] Sie unterbrach ihre Aufzeichnung, nippte an ihrem Wein und dachte zurück. Sie hatte einige Tage nicht geschrieben, das rächte sich nun. War es im Nachhinein doch seltsam, Belanglosigkeiten zu schreiben. Nein, war nicht Sinn des Buches, das ihr in späteren Jahren beim Erinnern ihres Lebens helfen sollte. [i]„Erste Verbindung zu den Magiern hergestellt. Verbotene Schule zu Valvec. Herold derselben ist Horaz Wetterlicht (Gast bei der Feierlichkeit) , dem man ansieht, dass er es weit gebracht hat. Er erklärte den weiteren Ablauf: Einen Test bestehen, einen Bürgen finden, Novize werden. Es klingt so einfach, und scheint in allen Städten Faeruns ähnlich abzulaufen. Nächster Anlauf: der Herold der Stadt, Kent Dias (der dunkle Barde, der die Feierlichkeit so trefflich untermalte). Unterwies mich in die Anforderungen, die für die Einbürgerung nötig waren. Vorsprechen bei den obersten Magistern gehabt: Magistra Nurashalee und Magister Aquilue Es geht voran.“ [/i] Das Kratzen der Feder auf dem Pergament endete, sie legte die Feder ab und ging zum Fenster. Der Mond hing hoch am Himmel, zu einer Sichel geformt, spendete nur wenig Licht. Ganz anders als neulich, als sie hinauszog... Ein Lächeln, das niemand sah, umspielte ihre Lippen, als sie zurückdachte. Sie spürte das Adrenalin wieder, das berauschend durch ihre Adern pulste: Leben. Die Altstadt, die Verkleidung, das Kind, die Heimlichkeit: ja, das war das Salz des Lebens! Erleben! Nicht nur studieren. In Schriften holte man sich Wissen, aber – im Leben prüfte man, ob es wahr war. Beides zusammen – nur so konnte es gehen. Die Feder nippte an der Tinte und mit wohl gemessenen Buchstaben – schnörkellos und präzise – schrieb sie weiter. [i]„Ich hatte mich in Kent nicht getäuscht. Er hätte mich verraten können, als ich mein Ansinnen vortrug, aber er unterstützte mich. Zeit war kostbar, der Vollmond sollte in der kommenden Nacht sich vollenden. Er war ebenso heimlich, wie hilfreich – ohne seine Kenntnisse wäre mein Plan nicht so reibungslos verlaufen. Vor allem: vermutlich hätte ohne seinen Einfluss niemand Notiz davon genommen, denn ich war ja noch unbekannt. War. Langsam sickert mein Name in die Köpfe der Leute. Der Priester Leonall (hat die Zeremonie der Hochzeit durchgeführt) hörte meine Erläuterungen zum Reinen Blut an und setzte es ein. Erfolgreich, wie ich gestern von Konzilleiter Haron Krown (der Hohepriester der Insel) erfuhr. Ich muss die Aufzeichnungen dazu ergänzen, das das alte Wissen tatsächlich stimmt. Auftrag von Meister Horaz bekommen. Interessante Gespräche, über das, was vor uns liegt, geführt. Einbürgerung muss warten, bis der schwarze Herold von seiner Reise zurück ist. Egal. Ich werde die Zeit bis dahin nutzen.“[/i] Mit einem leise, aber bestimmt gesprochenen Wort auf Draconisch trocknete die Tinte. Wie die vielen vielen Seiten davor zeigten: diese Tinte verblasste nicht, würde bestehen bleiben bis das Buch dereinst vernichtet würde. Wachs lief an der Kerze herunter, bildete einen weißen dickflüssigen See am Fuße des Leuchters. Es war Zeit, ein wenig zu schlafen. Morgen hatte sie viel vor. Mit großer, fast schon meditativer Sorgfalt bürstete sie ihr langes Haar, ehe sie sich zur Ruhe begab. Sie legte sich nieder, die Kerze erlosch. Die Träume kamen.... |
04.03.2012 17:03:26 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#57284) |
Morna | Für einige Tage war es ihr vergönnt, ein besseres Zimmer zu bewohnen und es gefiel ihr. An Luxus gewöhnte man sich nur zu schnell. Weicher Teppich schmeichelte ihren Füßen, ein kleiner Kamin spendete flackernd Wärme, und das bequeme Sofa stellte eine mehr als willkommene Abwechslung zum harten Schreibtischstuhl dar. Auch an diesem Abend kehrte sie dorthin zurück, zog es sogar vor, ihr Abendessen dort oben allein einzunehmen, fernab von Plauderei und Schenkenlärm. Nachdem sie sich umgezogen hatte, fand sie Ruhe vor dem prasselnden Feuer, ein Glas Absinth in den Händen. Alle 10 Fingerspitzen hielten das bauchige Glas, das Aroma des Getränks stieg auf, verleitete sie zum ersten genießenden Schluck. Hier konnte sie ganz sie selbst sein: Kein lächelndes Lärvchen, das Freundlichkeit zum Aushängeschild machte, hinter dem sie ihr wahres Sein verbarg. Es klopfte. Seufzend stellte sie das Glas ab, ging zur Tür, öffnete sie einen Spaltbreit. Wer wusste schon, das sie hier war? Eigentlich doch niemand, oder? Aber es war nur die Schankmaid, die das Tablett brachte. Und die liess sie natürlich ein. Vielleicht sollte sie aber erst ihre Aufzeichnungen tätigen. Ja, das wäre sicher besser. Und so ging sie zum Schreibtisch, schlug eine neue Seite in ihrem Tagebuch auf und begann zu schreiben. [i]Der Auftrag von Meister Horaz führte mich aufs Festland. Ich habe alles bestellt, was gewünscht wurde. Natürlich so, das niemand diese Order nach Valvec zurückverfolgen kann! Ein junges naives Töchterchen eines Kaufmanns, mit üppigen roten Haaren und gesundem Humor war es, die dort auftrat. Mareike Morgentau. Bestellte für ihre Brüder, deren ältester sich verheiraten wollte. Ich liebe es, mir solche Identitäten auszudenken. Es sprudelt im Gespräch und eines kommt zum anderen. Ich muss mir nur die Identität merken, damit ich nächstes Mal genauso auftrete. Der Herold der verbotenen Schulen wird zufrieden sein: ich habe einen guten Preis ausgehandelt. Es wird jedoch vonnöten sein, noch einige Male nach Hohenbrunn zu reisen. [/i] An dieser Stelle fügte sie noch eine kleine Auflistung ein, in der sie beschrieb, welche Kleidung sie trug, welche Eigenarten in der Sprechweise und im Gebaren der „Mareike“ zu beachten waren. Sie lächelte dabei. Ja, es machte ihr Freude und ja! Sie war begabt darin. War nicht auch das eine Spielart der Illusion? Täuschen, vorspielen? Sie starrte in die Flammen, lies es zu, dass ihre Gedanken eigene Wege gingen, wie Wolken, die ihren Weg am Himmel suchten – und fanden. Das Knacken eines Scheites erst riss sie wieder in die Gegenwart zurück. Die Tinte an der Feder war schon eingetrocknet, sie tauchte selbige ins kleine Fässchen. [i]Ich träume. Einige Nächte schon, obgleich ich sonst immer tief und traumlos schlief. Es ist so real, so greifbar. Wenn ich aufwache, habe ich noch immer das Gefühl, nicht allein zu sein. Ich rieche, fühle und ja, ich höre sogar. Doch da ist nichts: Nur Dunkelheit, wenn ich aufschrecke. Es ist verwirrend. Was mag der Grund sein? Es hat doch immer einen Grund? Sagen das nicht die Weisen aller Kulturen? Sagen es nicht die Schriften? Traum. Er spiegelt wider, was uns bewegt. Ich werde achtsamer sein, versuchen zu ergründen. Es ist seltsam: fast fürchte ich den Schlaf, fast sehne ich ihn herbei. Meine Arbeiten dürfen jedoch nicht darunter leiden. Aufgabe für morgen: Heraussuchen einer Thesis, die ich für die Schulen erarbeiten will. [/i] Philomena schloß das Buch. Es tat gut, zumindest manches auf Papier festzuhalten. Es hilft, sich zu sammeln. Vieles ging ihr durch den hübschen Kopf. Sie schlußfolgerte aus Worten, die sie hörte, und aus denen, die nicht gesagt wurden. Sie beobachtete. Sie beobachete Gesten und Blicke. Langsam konnte sie manches für sich zusammenfügen.... |
11.03.2012 10:18:37 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#57587) |
Morna | [i]Ich muss einen Zauber weben. Eine Illusion legen auf etwas besonderes, und es soll wirken, ohne das ich dabei bin und kontrollieren kann. Wie?[/i] Die letzten Tage und Nächte hatten sie aufgewühlt, vieles war geschehen. Ihre Welt, die immer so schön strukturiert war, schien aus den Fugen zu geraten, alles verschob sich. Kämpfen und Ringen mit ihm, mit sich selbst, nur Worte, die gewechselt wurden. Aber Worte von Bedeutung. Aber nun war es gut, nun schlossen sich die Fugen und der Weg lag wieder vor ihr. Es war kein Ende gewesen, nur eine Kurve, hinter der Weg weiterging. Sie ging grübelnd im Zimmer auf und ab, immer wieder klopfte ihre Hand bei jedem Schritt an ihren Schenkel. Sie wusste, was die eine Zutat war, aber die würde nicht reichen. Nein, das was sie "liefern" wollte, sollte spektakulär sein, dem Anlass angemessen. [i] -Perlen - für den lichten Schimmer - Ein Stück Stoff - um zu bündeln[/i] Das war leicht zu beschaffen, das hatte sie sogar schon teilweise, aber das wichtigste konnte sie nicht allein besorgen. Kent würde ihr helfen müssen. [i]- Tränen der Freude und Tränen der Bitternis - um den Wandel perfekt machen, die Illusion greifbar werden lassen. - Töne, in ein Lied verwoben, als Auslöser [/i] [i]Wie gehe ich vor: - Rukia und Sir Leonall aufsuchen, sie sollen wissen, was geschieht - Kent befragen, ob er bereit ist, seinen Teil beizutragen: ohne ihn wird es nicht gehen - ein Opfer suchen, es werden nicht "meine" Tränen sein, die verwoben werden. [/i] Philomena trat an den großen Schreibtisch, schob den Stapel an Papieren und Anfragen beiseite, die sie noch für den Herold sichten wollte und sollte und machte sich eine Notiz. Die Feder flog mit der gewohnt flinken, sauberen Handschrift, brachte die Stichpunkte aufs Papier, kein genauer Plan, aber mehr brauchte sie nicht, damit sie alles wieder vor Augen hatte. Mit einem kleinen scharfen Dolch nagelte sie den Zettel an den Bettpfosten: Gut, wenn man im Blick hat, was man nicht vergessen darf. |
12.03.2012 12:22:21 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#57666) |
Morna | [spoiler]Ich weise noch einmal vorsichtshalber darauf hin, das das hier die Gedanken und Meinungen des Charakters sind, nicht der Spielerin - die hat eine gänzlich andere Gesinnung[/spoiler] Sie hatte lange geschlafen, erst als es draußen dämmerte und das Abendrot vom Sinken der Sonne kündete, machte sie sich fertig, doch war es ihr ein Bedürfnis, erst ihr Buch weiterzuführen. Sie schlug es mit einer gewissen Feierlichkeit auf, und begann zu schreiben: [i]"So vieles geschehen, was ich nicht für möglich hielt. Meine Studien für die Verbotenen Schulen gehen voran, die ersten Strukturen für das von mir erwartete Buch stehen, den offiziellen Titel der Novizin werde ich bald schon tragen. Parallel dazu stelle ich mich Problematiken, Zauber zu kombinieren und zu erforschen. Es ist eine „Auftragsarbeit“, die mich herausfordert, der ich jedoch auch mit einer gewissen Freude entgegensehe, da sie mich vom Studientisch fortholt. Es gibt halt manche Dinge, die man nicht in einer Stube erleben oder erlangen kann. Und allein das Wissen um das berauschende Gefühl, etwas zu tun, was von den Moralvorstellungen der „Gutmenschen“ abweicht, spornt mich an." [/i] Sie hält inne, beim Blick in den roten Streifen am Horizont, der von einem Orange zu einem tiefen Blutrot wandelte, sieht sie vor sich: Leid. Ungläubige Augen, die nicht fassen können, was geschieht. Tränen. Und das Gefühl der Macht, das sie dabei empfindet, lässt sie kalt lächeln. Ja, sie werden es in der Hand haben, den gemeinsamen Plan umsetzen – und sich gemeinsam daran berauschen! [i]"Kent wird mir dabei Unterstützer und Helfer sein, die dunklen Barden-Fähigkeiten in Kombination mit meinen Illusionen: Perfekt! Es wird gelingen. Heute habe ich die Prüfung zur Bürgerin abgelegt. Ich war gut vorbereitet, die Gesetze hätte ich aus dem Kopf niederschreiben können, und hoffe nun auf das Wohlwollen des Lords, dass dem Antrag zugestimmt wird. Der Herold hat jedenfalls alles gewissenhaft aufgenommen, und ich stand ihm wahrhaft Rede und Antwort. Es gab einen Todesfall in der Taverne – eine Leiche wurde gefunden in den oberen Zimmern. Der Hauptmann Raul Monteros erzählte mir, dass es Cora sei, eine Akolythin. Spitzfindige Fragen von ihm, ob ich sie kenne, ob ich wisse, dass sie des Herolds Geliebte und Assistentin war und ein Blick, der wohl jede meiner Reaktionen einfangen wollte. Ich konnte ruhigen Blutes bejahen, denn Kent selber hatte mir ja schon vor einiger Zeit von ihr erzählt. Er war übrigens betroffen von ihrem Tod, oder eher noch: von der Art, wie sie gefunden wurde. Ich kannte sie nicht – und nun ist sie tot. Vielleicht ganz gut, muss sie doch nun nicht mitansehen, dass ich ihren Platz eingenommen habe. Einen Platz, den ich ihr im übrigen auch nie wieder überlassen würde. Bis geklärt ist, was mit ihr wird, und ob ihre Seele unwiderruflich den Leib verlassen hat, oder zurückkehrt, werde ich ihm bei den Schreibereien zur Hand gehen. Ob sie natürlich nach eventueller Rückkehr überhaupt noch in der Lage sein wird, zu arbeiten, ist ja fraglich. Man sagt ja, die Seele leidet schon darunter. Und ob sie dann auch noch in seiner Nähe sein will…? Nun ja."[/i] Philomena tauchte die Feder mehrmals in die Tinte, und sah den herabfallenden Tropfen zu, die wieder zurück in das Fässchen fielen. Und sie zog einen Federstrich unter die bisherigen Eintragungen, die das Wiedergeben von Fakten und Geschehnissen waren. ------------------------------------------------ [i]"Geheimnisse. Verschwiegenheit. Wahrheit. Schweigen. – Worte, die hier sehr oft gebraucht werden. Und doch sehe ich Widersprüche im Reden und Handeln. "[/i] Die junge Frau schloß das Buch, dabei fiel wohl ein Zettel heraus, den sie einmal geschrieben hatte. Es half ihr immer, zu schreiben, um ihre GEdanken zu klären, zu bündeln und sich bewusst zu werden. Sie las durch, was sie vor einigen Tagen notiert hatte - und überlegte, es in ihr Buch zu übertragen. Aber das hätte auch morgen noch Zeit. |
19.03.2012 06:03:43 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#57884) |
Morna | [quote]Grelle Blitzen zuckten über den Himmel, zerrissen die Dunkelheit mit blendender Helle. Der Donner war ohrenbetäubend, erfolgte Schlag auf Schlag. Die Bäume beugten sich unter der Macht des Sturms, an den Klippen wurde das Meer selber meterhoch herangeschlagen, zerstob in weißer Gischt, die der Wind dann mit sich riss: Naturgewalten tobten. Philomena stand nackt an einer Klippe – die Arme breit ausgebreitet, der Sturm zerrte und riss an ihrem Haar. Immer wenn ein Blitz niederging leuchtete die helle, makellose Haut von ihr, lies sie wie eine Alabasterstatue wirken, die ein Künstler modelliert hat. Nein, sie fröstelte nicht. Trotz des Wassers auf ihrer Haut, trotz der Kälte, des Regens. Ihre Augen loderten mit den Blitzen um die Wette. Sie war aufgewühlt wie die stürmische See, es tobte in ihr wie in den Elementen um sie herum. Leben!!! Die aufgeladene Luft schien um wie ein lebendiges Wesen um sie zu pulsieren, sie drehte die Handflächen nach oben: sehr langsam tat sie diese, dabei spürte sie das Prasseln des Regens wie Nadelstiche und sie sammelte sich. Und dann war er da: der rechte Moment: Sie schleuderte mit einem Schrei Blitze – den Blitzen entgegen. Ja – sie lösten sich von ihren Händen, so wie sie es geübt hatte – und die Macht darüber war atemberaubend. Die Blitze trafen sich, kamen von oben, von unten: Gleißendes Licht, das den Augen schmerzte und den Himmel zerriss. Ein Knall, der die Ohren zu sprengen drohte. Dann schlagartig Stille. Dunkelheit. Schwärze. Nichts. Noch immer tobte Sturm, noch immer schlug das Wasser an Klippen, noch immer prasselte Regen, aber der Himmel war schwarz und still wie ein Leichentuch.[/quote] Sie schlug die Augen auf. Es dauerte einen Moment bis sie realisierte, wo sie war. Nicht draußen, nicht nass. Laken unter sich, fast erloschene Glut im Kamin, die einen schwachen rötlichen Schein warf, Kents ruhige Atemzüge neben ihr : sie hatte geträumt und noch immer schlug ihr Herz rasend schnell. |
22.03.2012 10:50:03 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#58044) |
Morna | [quote]Die Zeit rast. Man kommt kaum zum Innehalten. Vater Leonall beauftragte mich, nach meinen Arbeiten in der verbotenen Schule auch noch Laiendienst im Konzil zu versehen. Und in der schule zu unterrichten. Das will ich alles tun. Doch achte ich sorgsam darauf, das genügend Zeit für Gebet, Erbauung, Forschung und - ja: - für Kent bleibt. Er ist mir große Stütze in dieser Zeit. Es erfreut mich, wenn ich auch ihm mit seinen Schreibarbeiten zur Hand gehen kann. Vielleicht sollte ich beim Lord einmal fragen, ob er einen Schreiber braucht? Es kommt und kommt einfach keine Antwort auf den Antrag zur Bürgerschaft, dabei ist das wichtiger denn je. [/quote] Philomena überlegte eine Weile, die Feder dabei zischen Daumen und Fingern herumdrehend. Sollte sie mal bei den Hohen Magiern nachfragen, damit sie ihren Einflus geltend machen? Sollte sie sich in Geduld hüllen? Geduld! Aber so lange sie nicht Bürgerin war, wäre sie keine Novizin. Und würde auch nicht als offizielle Vertreterin der Schulen auftreten können. Ein Teufelskreis... [quote] Mein Buch für die Verbotenen Schulen schreitet voran und schon bald werde ich es vorlegen können. Möge es sich zu den anderen Büchern gesellen, die ein Hort des Wissens sind. Ich konnte sehr interessante Erkenntnisse erzielen, beim Zusammenfügen von Schutzzaubern: Es gelang mir, durch verbesserte Komponenten dere Dauer auszuweiten. Die Zeremonie der Erweckung steht bevor: es wird sicher eine eindrucksvolle Demonstration des Konzils werden. Und das ist auch gewollt. Ich selber werde zugegen sein, um Spenden zu sammeln. [/quote] Die Aufzeichnungen gehen an diesem Tage nicht so flüssig von der Hand, sind eher als Aufreihung von Daten gedacht, denn als Interpretation derselben. |
30.06.2012 08:49:56 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#61159) |
Morna | Monate waren vergangen. Oder waren es Jahre? Im steten Gleichmaß der auf- und untergehenden Sonne. Namen und Gesichter kamen und gingen, manche blieben. Der Tag der Magierin war strukturiert, auch wenn man es ihr nicht anmerken mochte. Und doch waren die Tage so angefüllt, dass sie sich dem Luxus der täglichen Aufzeichnungen schon lange nicht mehr hingegeben hatte. Nur noch sporadisch gab es mal einen Eintrag, penibel mit Datum versehen: Der Fortschritt ihrer Magiekunde, der Aufstand in Valvec, die Niederschlagung desselben. Die Ebenenrisse. Doch am Verlauf des Datums konnte man sehen, wie die Zeit fortschritt und immer fortschreiten würde. Philomena fand das Buch beim Aufräumen des Schreibtisches wieder, verborgen unter einigen wirr übereinanderliegenden Blättern. Einzig dieses mehr als ungewohnte Durcheinander auf dem Tisch kündete einem aufmerksamen Besucher davon, dass etwas in Unordnung bei ihr war. Aber - es kam ohnehin niemand zu Besuch, wer sollte es also merken? Und außerdem - sie warf noch einen Blick darauf, seufzte und rollte die Blätter wenigstens ordentlich zusammen - und außerdem würde sie auf Reisen gehen. Momentan war die kleine unscheinbare Fähre, die von Valvec in vielen Stunden der Seereise nach Mirhaven dem weiten Meer trotzte, fast ihr zweites Zuhause geworden. Die Nebellande riefen, oder besser: Sharraz. Und der Drang, den dort befindlichen Riß im Gefüge genauer zu inspieren, lies sie ihre Reisetasche packen. Aber sie musste eilen, denn in wenigen Tagen schon galt es, bei der Prozession dabeizusein. Und bis dahin - ihre Gedanken schweiften nur kurz zu dem Fremden, den der KOnzilleiter ihr als Fackelträger zur Seite gestellt hatte. Kaum konnte sie sich an sein Gesicht erinnern. Magnus? Egal - bis dahin musste sie das heilige Feuer entzünden und bewahren. Als sie ihre Augen schloß und Dunkelheit sie umfing, atmete sie tief durch. Ruhe in sich selber finden! Sie dankte der Herrin. Diese vielen Aufgaben - sie würden ihr helfen, sich auf sich selbst zu besinnen. |
08.08.2012 09:36:03 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#62143) |
Morna | Philomena betrat ihr Zimmer im Tänzelnden Schatten. So vieles hatten diese Wände erlebt und gesehen, und doch verspürte sie immer mehr den Drang, diesen Raum aufzugeben. Es wurde Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Die umtriebige letzte Zeit brachte ihr viel Arbeit, aber vor allem brachte sie ihr eines: nämlich das, was sie so lang vermisst hatte: Disput. Austausch. Anregung. Sie blühte förmlich auf durch das, was sie in den letzten Tagen und Wochen erlebte. Und sie würde dafür sorgen, dass sich dieser Zustand möglichst lange hielt. Doch zunächst galt es, sich aufzuschreiben, was zu beachten war, wenn sie denn eine Bleibe ihr eigen nennen wollte: Der Brief an den Lord mit der Bitte um Erlaubnis des Hauskaufs: erledigt - wenngleich noch ohne Antwort Handwerker suchen: teilweise erledigt: Schlösser, Beschläge, Schmiedeeiserne Gitter, Holzarbeiten nach Maß Händler suchen: diverses Es machte ihr Freude, diese Liste zu schreiben und sich in GEdanken schon mit der Umsetzung zu beschäftigen. Sie hatte schon ein ganz genaues Bild vor sich und das würde sich im Laufe der Zeit immer plastischer entwickeln lassen. Geduld.... Geduld... sei eine Tugend. Diese Worte hatte sie noch im Ohr und sie musste unwillkürlich lächeln. Oh ja, und genau diese würde sie beweisen. Und zwar nicht nur beim Streben nach den offensichtlichen Zielen. Schritt für Schritt, langsam und stetig und wenn es sein musste, auch innehalten: Geduld war für sie eine Herausforderung. Aber liebte sie es nicht, sich dieser zu stellen? Die Zeit würde es zeigen. |
21.08.2012 17:06:36 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#62431) |
Morna | [u][b]Zauber werden vorbereitet[/b][/u] Es war dunkel in der Kammer. An den Fenstern machten sich die schweren Regentropfen bemerkbar, die der Westwind dagegen schleuderte. Drinnen flackerten rußende Wachskerzen und ließen zähe Tropfen von Wachs über den Leuchter rinnen. Philomena vergewisserte sich mit einem zufriedenen Blick über ihren Arbeitstisch: Ja, sie hatte alles beisammen, was sie brauchte. Damit sollte es ihr wohl gelingen, den Auftrag auszuführen. Ein Auftrag, dessen Auftraggeber unerkannt bleiben wollte. Nun gut – sie konnte Geheimnisse wahren. Das hatte sie ja schon mehrfach bewiesen. Manchmal fühlte sie sich wie ein Weinschlauch, der alles aufnehmen musste. Aber das war ein eindeutiger Vorteil, wie sie meinte. Sie rebelte einige Kräuter zwischen ihren Finger in den großen Granitmörser, fügte ein paar flusige Fasern, die verdächtig an ein paar weisse Haare erinnerten, und einige Tropfen milchigweisser Flüssigkeit hinzu und zerrieb alles sehr sorgfältig zu einer zähen Paste. Aufdecken und Verbergen. Überdecken, Durchscheinen – eigentlich viel ihr nichts ein, was nicht etwas Gegenteiliges hatte. Das war das Wunderbare an der Magie. Mit einem Zischen, begleitet von einem seltsam bläulichen Leuchten, rührte sie die Paste in das vorbereitete bauchige Glas, schwenkte dieses sodann schnell kreisend über dem kleinen Brenner auf dem Tisch. Wie es sein musste! Das Trübe löste sich auf. Und etwas Glasklares war das Ergebnis ihrer Mühen. Draußen grollte der Donner wie ein großes hungriges Tier. Philomena bemerkte es nur mit einem Lächeln. Sie liebte Gewitter. Aber noch war keine Zeit, hinauszugehen. Noch galt es einen weiteren Zauber vorzubereiten, um gerüstet zu sein. Doch dieser war einfacher und sie brauchte nur etwas Staub. Kostbaren Staub allerdings – den sie in ein kleines Briefchen faltete, und neben die Flüssigkeit legte. Doppelt hielt besser. Und so wird sie den Auftraggeber mit den Zaubern belegen, der Zeitpunkt war sorgsam gewählt. |
22.08.2012 09:39:22 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#62444) |
Morna | [u][b]Grauzone[/b][/u] Es war ein langer Tag gewesen, anstrengend, ereignisreich. Sie war erschöpft. Aber zufrieden, wie seit langem nicht. Licht – Schatten – Hell – Dunkel? Mit einem Lächeln nickte sie und zog den Stuhl vor den Kamin, wo das prasselnde Feuer Wärme spendete. Wenn man hell und dunkel vermischt, Schwarz und Weiß vermischt, erhält man ein Grau. Grauzone… Philomena legte das, was sie brauchte, vor sich auf das Tablett: Dunkle Fäden, helle Fäden, jeder einzelne so dünn wie ein Haar, Nadeln, eine Lederrolle, eine kleine Phiole, nicht grösser als ein halber Finger, eine dunkle Kerze, deren Wachs sich verflüssigt, zerstoßenes Pulver in zwei Löffelchen, das an Kalk erinnerte, zerriebenen Schalen gleich: Wie bei jedem Zauber, den sie vorbereitete, ging sie auch hier gewissenhaft vor. Hell, dunkel, hell, dunkel…. Und immer wieder stäubte sie Pulver darauf und benetzte alles mit Wachs, und sprach immer wieder die magische Formel, um sie einzubinden. Die Nacht war lang – aber sie hatte zugesagt, es heute zu erledigen. Und es würde gelingen. |
23.08.2012 11:05:57 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#62480) |
Morna | [u][b]Falkenaugen[/b][/u] Die Sonne hatte den Zenit schon überschritten, als die Maga mit dem Schmied endlich die Adlerküste erreichte. Jedesmal, wenn sie aufgehalten wurden, zuckte ihr Blick zum Himmel: Hoffentlich war es nicht zu spät! Ein Adler, ein Falke... aber wie kam man ihn heran? Ohne ihn zu zerstören? Der Vorschlag des Schmiedes, ihn im freien Flug mit einem magischen Geschoß zu töten, war pragmatisch, aber: dieser Zauber würde den Vogel so zerstören, dass er unbrauchbar war. Er sollte noch leben, wenn sie ihn in Händen hielten. Und dafür kamen nicht viele Zauber in Frage. Im Geiste ging sie ihr Zauberbuch durch. Genau! Das war das Mittel der Wahl: Schlaf! Die Schatten wurden länger und der Himmel über dem Wasser veränderte ganz langsam die Farbe vom Blau zum Violett. Nicht mehr lange und die Sonne würde untergehen und Platz für das Meer von Sternen machen. Der Seewind beruhigte sich und schlief allmählich ein, das Schreien der Möwen erstarb. Es war diese Stunde zwischen Tag und Nacht, in der die Welt den Atem anzuhalten schien. Die Unmengen an Blumen verströmten ihren schweren Duft, als gäbe es kein Morgen. Die beiden schritten unbeirrt ihren Weg durch das hohe Gras in Richtung der Felsen. Wenn, dann konnten die Vögel nur dort nisten: in einer Felsennische. Und sie machte sich bereit: sie verständigten sich mit einem Blick, einem Nicken – und ein schrilles Fiepen erklang, das entfernt an eine Maus erinnerte. Philo starrte zu den Felsen. Regte sich etwas? Ein Schatten, der – bliebe er bewegungslos – nicht auszumachen wäre? Das Fiepen wiederholte sich und ja: endlich! Sie sah, wie sich hoch oben ein Vogel bereit machte, um auf Beute zu fliegen. Das war der Moment, auf den sie gewartet hatten! Geräuschlos schwebte der Falke kreisend über ihnen, stolz und frei. Die warme Luft des Tages, die an den Felsen emporstrich, machte es ihm leicht, zu kreisen, ohne hektisch zu flattern. Philo hob ihren Finger in seine Richtung, lies ihn nicht aus den Augen, als sie den Zauber „Schlaf“ wirkte. Und mitten im Flug wirbelte der Körper des Vogels herab wie ein Stein. Das, was eben noch stolz über die Lüfte triumphierte, wurde zu einem wirbelnden Spielball, der letztlich mit einem dumpfen Schlag ins hohe Gras fiel. Nun musste es schnell gehen: sie hatte alles dabei: leere Glasröhrchen, kleine Döschen, die mit Perlmutt ausgeschlagen waren, eine handgroße Flasche mit klarem Alkohol, Messerchen, Schere, Lederbeutel - kurz: alles was eine Magierin brauchte, die loszog, um eine kostbare Komponente für einen Zauber zu holen. Und doch wollte sie sehen, wie der Schmied reagierte, wenn sie ihn bat, die Augen herauszulösen. Überraschte er sie? Eindeutig ja, aber im positiven Sinne: Er trennte sehr geschickt und ohne zögern Kopf von Körper, damit sie das warme Blut in einem Röhrchen auffangen konnte. Die letzten zuckenden Herzschläge des Vogels liessen es hervorpulsen und nicht nur das Röhrchen füllte sich, sondern auch ihre weißen Hände wurden von blutroten Rinnsalen gezeichnet. Die großen Hände arbeiteten sehr präzise, öffneten den kleinen Schädel und trennten den geradezu winzigen Sehnerv durch, so dass die Magierin die kleinen Augen entnehmen konnte. Das Blut schreckte sie nicht. Im Gegenteil. Und wenn sie ihn so ansah, sah sie, das es ihm ebenso ging. Macht über Leben und Tod. Sie lächelte, als sie die kleinen blicklosen Kugeln in das Perlmuttgefäß gab, sie den klaren Alkohol daraufgoss. Frische Augen! Nichts getrocknetes! Das würde den Zauber noch wirkungsvoller sein lassen. Und zum ersten Mal seit langem spürte sie heute wieder, wie gut es sich anfühlte, eine Magierin zu sein. Und zu Wissen. Und umsetzen zu können. Alles, was sie wollte. Für den Moment... |
24.08.2012 12:44:05 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#62521) |
Morna | [u][b]Junges Blut[/b][/u] Er war so unschuldig, so ein herziger kleiner Halbling, wie er mit einem Stöckchen in der Hand seine Ferkel vor sich hertrieb. Bis eines von ihnen wie von einer Nadel gestochen davonrannte – ein polternder Schweinsgalopp über die Brücke, an den Wachen vorbei – und der Bengel aufgeregt rufend hinterher. „Willst du zurückkommen! Verdammtes Vieh! Halt an!“ Erstaunlich wie ein so junges Kerlchen so fluchen konnte. Aber wer kannte sich schon mit Halblingen aus? Sie sahen sich nur an – wenn das keine gute Gelegenheit war – und man folgte ihm, langsam wie zwei Wanderer, die noch einen weiten Weg vor sich hatten. Man hatte keine Eile, denn es gab nur den einen Weg, die hohle Gasse, die aus Hohenbrunn herausführte. Keuchend hatte der Kleine seine dünnen Ärmchen um das Ferkel geklammert, hielt es krampfhaft fest. Dort draussen, wo die Dämmerung dafür sorgte, das sich kaum noch Leute auf der Strasse befanden. Selbst die Rehe wagten sich schon vor und plünderten die Getreidefelder. „Na, du hast aber ein hübsches Tier“, einschmeichelnd und freundlich beugte sie sich zu ihm herab, und als er stolz zu ihr auflächelte, fuhr sie ihm durch die Locken. „SCHLAFE!“ ein Wort nur, und die Lider des Knaben senkten sich, der Griff um das Ferkel erschlaffte – und die Frau ergriff es im gleichen Moment, wie der Mann sich den Knaben griff. Sie verschwanden beide mit ihrer „Beute“, als das Gewebe ihrem Zugriff folgte und sie unsichtbar machte – und sie eilten weiter. Das grelle Quieken des Schweins hätte sie verraten können, aber ein Schnitt durch dessen Kehle lies es schlagartig erstummen. Die Blutspur, die es hinterliess, mischte sich mit dem strömenden Regen, der ihr dieses Mal nur Recht kam. Das Rot verdünnte sich, verwässerte, versickerte.... keine Spur würde bleiben. Vorfreude erfüllte sie auf das was kommen sollte. War schon das Blut des Vogels wie das Auffrischen einer Erinnerung, so sollte es dieses Mal etwas wertvolleres sein. Etwas, das erkannte, was geschah. Auf dem quadratischen Stein an exponierter Stelle, der durchaus an einen Altar erinnerte, legten sie ihn ab. Und sie begann ihr perfides Werk unter seinen aufmerksamen Augen. „Wach auf, mein Junge, ich bin es, deine Mutter“, säuselte sie in einem veränderten Tonfall, ihre Miene kündete von der Konzentration, die es kostete, ihm diese Illusion lebendig werden zu lassen. „Wo warst du nur so lange, mein Schatz? Du bist ja eingeschlafen.“ Die Halblingsmutter lächelte ihrem Jungen zu und küsste ihn liebevoll auf die Stirn. Der Kleine strahlte sie an „Mein Ferkel, Mama, ich hab's gefunden. Ich....“ Die Augen weiten sich in Panik, als das Bild seiner Mutter wich und eiskalte blaue Augen auf ihn herabblickten. Der Griff, der eben noch zärtlich an seinem Kopf war, hielt diesen nun wie in einem Schraubstock fest. Das war der Moment, auf den der Mann gewartet hatte, den Dolch schon in der Hand. Und der ängstliche Schrei des Jungen ging in gellenden Schmerzensschrei über, als die feine Klinge des Mannes seinen Leib öffnete. Ja! Genau das sollte es sein. Ein Opfer, Leben nehmen, um Leben zu fühlen, der Ort dafür eher zufällig gefunden. Der Körper des Knaben erschlaffte, als das Leben aus ihm wich – in dem Moment, wo ihm das Herz entnommen wurde. Alles war rot: Die Hände des Mannes, die Hände der Frau, das Blut des Jungen färbte den Opferstein. Inzwischen war es Nacht geworden, der Regen hatte nachgelassen und Wolkenfetzen zogen über den Himmel. Das Ferkel lag noch immer dort abseits im Gras und wartete darauf, zu einem Spießbraten zu werden. Das glänzende Rot des Blutes schimmerte Schwarz bei diesem Licht. Ein Flammenschlag grellte auf. So plötzlich, wie er kam, erlosch es auch wieder. Der Geruch nach Verbranntem hing in der Luft. Feuer tilgte Spuren... |
29.08.2012 09:19:53 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#62637) |
Morna | [b]Normalität[/b] Der Morgen dämmerte schon. Die Stiege hinauf zu ihrem Zimmer knarrte laut in der Stille der Nacht. Endlich Ruhe! Sie goß sich einen Tee auf und stellte sich ans offene Fenster damit und hiess den bitteren Geschmack durchaus willkommen, der nur wenig durch etwas Honig gemildert wurde. Die Nacht war ereignisreich gewesen, Zauber wurden gewirkt, Pläne wurde besprochen, die sie schon wieder voller Vorfreude erschaudern liessen. Wie sie es liebte, zu planen! Und noch mehr, diese Pläne in die Tat umzusetzen. Die ersten Erkundigungen liefen dazu schon. Heute würden sie noch daran feilen und morgen dann... Vorsichtig schlürfte sie das heisse Getränk, welches sie von innen heraus erwärmte. Sir Leonall: er war zufrieden mit ihrer Arbeit im Lazarett. Er hielt ihr immer wieder kleine Vorträge, die ihr ermöglichten, ihr Heilerwissen etwas zu vertiefen. Sicher: sie würde nie eine Ärztin sein, aber wollte sie das? Nein - das passte nicht zu ihr. Aber Grundlagen, gute, fundierte Grundlagen würden nützlich sein. Und ihr letztlich auch selber zugute kommen. Sie betrachtete von ihrem Fensterplatz aus das erwachende Leben unten auf dem Platz, sah, wie die ersten Akolythen dem Haus des Geistes zustrebten. Der Tag begann - und für sie würde er erst einmal mit Schlaf beginnen. Doch noch war die Tasse nicht geleert. Und bei jedem Schluck schweiften ihre Gedanken. Der Spiegel: er sagte, der Rahmen sei vollendet. Jetzt gelte es, das Silber zu einer perfekt planen Fläche zu giessen. Sie vertraute ihm, war sicher, das es ein Prachtstück werden würde, das den Schulen anschliessend zugute käme. Vor dem Zauber scheute sie etwas. In Mirhaven schienen Ausspähungen an der Tagesordnung zu sein. Sie selber wusste um die Zweischneidigkeit, die ein solches Unterfangen bringen konnte. Aber sie war nur die, die ausführte. Und bald wäre es an der Zeit. Der letzte Schluck des Gebräus war schon kalt und schmeckte - widerlich. Sie schloß das Fenster und damit die Geräusche der erwachenden Stadt aus. Nicht mehr lange würde sie diesen Ausblick haben. Bald schon würde sie aus diesem Zimmer herauskommen - hinein in ein neues Leben, ein neues Heim. Es würde sich vieles ändern, das wusste sie. Und es war lange her, das sie sie solche Veränderung ersehnte. Doch eines war noch zu tun, ehe sie sich zur Ruhe legte: sie schürte das Feuer. Nicht, weil ihr kalt war, aber sie wollte heute die lodernden Flammen sehen, die das Zimmer mit ihrem flackernden Schein erhellten. Die Gegenwart des Feuers war tröstlich.Und trug sie in ihren Schlaf. |
01.09.2012 08:34:01 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#62699) |
Morna | [b][u]Klarheit [/u][/b] Es war soweit. Schneller als gedacht war der Zeitpunkt gekommen, der so bedeutsam für viele war. Den Ausschlag gab Tai Li, als diese gerade dazu kam, wie sie den Spiegel bewunderte und sich mit ihm beriet. Viele Worte wurden gewechselt: mit der Monialen, die auch auf der Suche war, anschliessend noch mehr ohne sie, denn alle Aspekte mussten betrachtet werden. Doch letztlich war es soweit: der Zauber sollte gewirkt werden. Er drängte darauf, wollte Klarheit. Und es begann... Sie drängte alles zurück, was an Ablenkung in ihr war. Jetzt galt es, Konzentration und Sorgfalt walten zu lassen. Eine kleine Unachtsamkeit nur und der Zauber würde fehlgehen oder verfälschen. Aber dieses genaue Arbeiten hatte sie in langen Jahren im Studium gelernt. Die Magierin verstand ihr Handwerk und blendete alles Nebensächliche aus. Er hielt sich still im Hintergrund und beobachtete sie wartend. Die Tür war abgeschlossen, so dass niemand jetzt stören konnte. Und es war still. Keine Stimmen drangen herauf, kein Hundegebell, kein Feuerprasseln: nichts. Einzig das schabende Geräusch, wenn der Stößel im Mörser über den rauen Stein rieb und die Stäube von Metall, Salpeter und die Augen des Falken zu einer Paste vermengte war zu vernehmen. Es war so eintönig, dass es schon an den Nerven zu zerren begann. Doch schließlich war es getan und sie hatte eine Paste, mit der sie Runen auf den Spiegel zeichnete und diese mit einem feinen weißen Puder bestäubte, von dem nur wenige Partikel dort haften blieben. Das Haar Nedylenes, das er aufgehoben hatte über die langen Monate – oder waren es Jahre? - dienten ihr als Fokus. Sie spürte nach ihr, richtete all ihren Geist auf dieses Haar und vollführte die komplizierte Geste in dem Moment, wo sie auch die harten draconischen Worte des Zaubers sprach. Erst schimmerten nur die Runen, bereiteten den Weg hinüber hinter den Spiegel. Schlieren zeigten sich, Wolkenfetzen gleich, von denen eine nach der anderen sich hob und den Spiegel erhellte – und doch sah sie nichts. Keine Schwärze, wie es wäre, wenn die auszuspähende Person tot wäre. Nein. Die Ritterin lebte. Doch es war, als wenn man ein Glas mit Fett eingerieben hat: man ahnte Schemen, und doch wurde nichts offenbart. Die Anstrengung, den zweiten Zauber darüber zulegen, war der Magierin deutlich anzusehen: ihre Züge wie Stein, ein feiner Schweißfilm bildete sich auf der Stirn, aber sie wollte versuchen, eine Nachricht zu übermitteln oder zu fragen. So war es gedacht und vorbereitet. Genau dafür hatte sie die Schalen zerstoßen, die auf den Runen hafteten. Die Atmosphäre im Zimmer war wie kurz vor einem Gewitter: Energien und Materie waren nicht zu sehen, aber spürbar. Feinste Härchen richteten sich auf: das Gewebe gehorchte ihr, ließ sich formen und stellte die Verbindung zu Nedylene her. Und so konnte er durch die Magierin eine Nachricht senden an die, die er so lange gesucht hatte. Er hatte Klarheit. |
05.09.2012 08:26:24 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#62813) |
Morna | [b]Ungesehene Tat - Klarheit, die Zweite[/b] Ihr Haar roch nach Rauch, als sie zurückkam: ungesehen, im Schutz der Unsichtbarkeit. Wie passend. Es hätte auch mehr als seltsam gewirkt, die Magierin bar jeglicher Kleidung durch die Stadt laufen zu sehen. Das wäre nicht ihr Stil. Aber es war nötig, die Kleidung zu verbrennen. Sie stanken nach Rum, nach Elend, nach Tod. Nun ja, es waren nur einfache Stoffe, besorgt für diesen einen Anlass. Die schäbigen Gassen in Mirhaven, die alte Kate des Mannes. Er sah sie nicht, wie sie ihm vom Markt her folgten. Seine trüben Augen gaukelten ihm nur Schatten vor, als er im Dämmer seiner Behausung mit gichtigen Händen die Kiepe von den knochigen Schultern nahm. Seltsam – er fühlte sich plötzlich so matt, so benommen, so müde. Aber als Arme ihn umfingen und hielten, waren es keine lieblichen Arme, die ihn in den Traum führen sollten. Es war der Griff einer Frau um seinen Leib, um seine Arme, die ihm ein Wehren unmöglich machten. Wehren… Luft….Luft!! Seine Augen waren ein einziger stummer Hilfeschrei, als die große Hand des Schmieds sich unerbittlich über seinen Mund und seine Nase gleichermaßen legte und ihm raubte, wonach seine Lungen schrien: Luft! Es ging schnell. Er hatte dem nicht viel entgegenzusetzen. Der Alte erschlaffte in dem Moment, wo der Blick brach. Und zwei andere Augenpaare trafen sich über dem leblosen Leib , ruhten ineinander in Einvernehmen und Aufregung. Dafür allein lohnte es sich schon. Wieder diese Macht über Leben und Tod zu spüren. „Such ein Seil, wir wollen alles vertuschen“, hauchte er ihr leise zu. Und sie suchte, und fand und warf das Seil über den verräucherten Deckenbalken. Sie musste lächeln: kein Zögern war in seinem Handeln, als er geschickt die Schlinge formte, die er dem Alten dann um den Hals legte! Wie mühelos er ihn hochhob, aufrecht auf den Hocker stellte. Er war stark. Ein Tritt, der Hocker fiel, und ein unmissverständliches Knacken des brechenden Genicks hallte noch in der Stille wider. Sie besprenkelte den Mann mit Rum, lies die offene Flasche über den Boden kollern, hinüber zu den Puppen die aus der Kiepe gefallen waren. Ja, hier hatte wohl jemand seinem Dasein ein Ende gesetzt. Sie hatte Wort gehalten und erledigt, was sie versprach. Dass das nicht ohne Eigennutz geschah, ging niemanden etwas an. Hauptsache, er und sie waren in ihrem Handeln und der Intention einig. „Lass uns eilen. Noch hält der Zauber auf uns. Und dann: raus aus den stinkenden Fetzen. Wir verbrennen sie.“ Er drückte die Tür auf und ließ sie als erste hinaushuschen. Dann erst duckte er sich unter dem niedrigen Türsturz hindurch und folgte ihr, fort aus der Stadt. Erst am sicheren Ort wurden die Kleider den Flammen übergeben. Und das Gefühl des Triumphs ausgekostet... Philomena hatte es noch ganz genau vor Augen. Es war erst wenige Tage her. So oft mussten sie die Unsichtbarkeit suchen. So oft musste sie unbeteiligt lächeln. Wieder Lückenbüßerin? Netter Zeitvertreib, um die Wartezeit zu verkürzen? War es das? Das galt es wohl herauszufinden. Sie kleidete sich sorgfältig an, schöpfte Kraft aus dem fast schon rituellen Anlegen der Gewänder. Und sie machte sich auf den Weg zu dem Ort, den nur er noch kannte. Niemand würde sie aufhalten können. |
08.09.2012 22:02:28 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#62964) |
Morna | [b]Blut[/b] Ein Schnitt – ein Ratscher eher. Leichtes Brennen. Es reichte nicht aus. Ihre Gedanken gingen noch immer wie in einem Wirbelsturm. Ein zweiter Schnitt: tiefer nun, die makellose Haut am Oberarm sprang auf und ein roter Quell rann über den Arm hinab. Philomena presste die Zähne zusammen. Endlich überlagerte etwas das Tosen in ihrem Geist, und wenn es der Schmerz war. „Wie dünnflüssig doch Blut ist“ , dachte sie fasziniert. Fragen und Zweifel, Stolz und Demut, Suchen und Abwehr. Alles eins. Abgelegen von der Welt und fernab der Wege war der Ort der Ruhe. Das Rauschen des Meeres im Hintergrund. Blätter rascheln. Doch hatte sie Blick für die Umgebung? Oder die Fackeln? Nein. Es waren seine Augen, die sie fesselten und hielten und vor denen es kein Entkommen gab. Alles wirklich wichtige lag in diesen Augen. Er nahm ihr Messer, dessen Klinge rot schimmerte und zog sie tief durch seine Handfläche. Blut quoll hervor und füllte seine Hand wie einen roten See. Diese Augen! Es schmerzte, als seine blutige Hand ihren offenen Arm berührte, Wunde auf Wunde sich schmiegte. Welches Blut war es, das den Arm herabrann und wie eine makabre Zeichnung zierte? Ihres? Seines? Ihrer beider? Die Zeit stand still wie in einem unwirklichen Traum, wo alles sich nur zäh bewegte. Doch dann durchschoß es sie: die unheimliche Kraft seines Blutes bahnte sich langsam den Weg zu ihrem Herzen. Hitze breitete sich in ihr aus. So wenige Spuren es auch waren, die Macht der Uralten war spürbar! Ihr schwindelte. Sein Blut in ihrem, ihres in seinem, seine Kraft wurde die ihre, die ihre die seine... ein Strudel, immer schneller, immer ergreifender. Flammen züngeln auf und erfassen das trockene Gras, wachsen aus dem Nichts empor und schlagen über ihnen zusammen. Alles verzehrend und nichts zerstörend zugleich. Und das Prasseln der Urgewalten blendete jedes andere Geräusch aus. Sie schlug die Augen auf und nahm erst nach einem unsicheren Moment die Zimmerdecke wahr. Noch immer knisterte es aus dem Kamin. Es war alles wie zuvor, als sie sich zur Ruhe begab. Sie musste ein paar Mal blinzeln: der Traum war so plastisch und greifbar. Von der Realität nicht zu trennen. Und erst mit einem gründlichen Recken kam das wissende Lächeln zurück. Ein Neuer Tag! Gestärkt und voller Energie schwang sie ihre langen Beine aus dem Bett. |
21.09.2012 09:59:50 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#63348) |
Morna | Die Sonne sank. Schon wechselte das strahlende Blau des Himmels in ein Dunkelviolett, überliess der Nacht den Sieg über den Tag. Sie hatten sich bewusst diesen einsamen Ort gesucht. Eine kleine Landzunge. Nur Sand, keine Bäume, vom Meer umgeben. Hier würde niemand ungesehen herankommen und stören und das war gut. "Opfere den Göttern, solange Zeit ist", hörte sie im Geiste die Stimme ihrer Mutter. Diese arme schlichte Frau mit ihren einfachen Regeln. Opfern, Ehren, Schenken. Aber sie fühlte, dass sie recht hatte. Doch was schenkt man Göttern? Ewig nur Blut? Tod? Nein. Das wäre nicht persönlich genug. Und Götter waren wählerisch und anspruchsvoll. Es musste etwas sein, das kostbar war in der Bedeutung, nichts Materielles, denn was sollte ein Gott damit schon anfangen? Sie verbrachten das Warten auf den perfekten Zeitpunkt im leisen Gespräch, auch wenn über ihren Wunsch still lächelte. Den Göttern opfern - es konnte zumindest nicht schaden. Dann war die Zeit da. Es waren die magischen Minuten, wo die Sonne gewichen war und der Mond sich noch nicht zeigte. Hier und da blitzte der erste Stern zaghaft auf und wagte ein verschlafenes Blinzeln. Sie hatte sich vorbereitet und alles dabei, um das Gewebe zu formen, das sie loslösen und hinauftragen sollte in den Äther: den Ort der absoluten Stille. Zeit - das Geschenk der Gegenwart. Erinnerung - das Geschenk der Vergangenheit. Doppelt wertvoll, weil er sich ihrem Geschenk anschliessen wollte. Ob die Götter es annahmen? "Bist du bereit?" Sie fragte ihn noch einmal, und erst als sein zuversichtliches Nicken kam, sprach sie den Zauber. Es war dunkel um sie herum, sie sahen den Strand immer kleiner werden. War es warm? Kalt? Wie lange dauerte es? Es war einerlei. Die Dunkelheit des Vergessens legte sich wie ein Schleier auf Philomenas Geist, die Herrin hüllte sie ein und schirmte sie ab von anderen Einflüssen. Zeit spielte keine Rolle mehr. Behutsam endete der Ausflug, als der Morgen graute. Sie standen an der gleichen Stelle wie vor vielen Stunden, träge plätscherten die Wellen auf den Sand und versickerten spurlos. Die erste Möwe lies sich hinaustragen übers Meer und suchte nach einem Fischschwarm. Alles war wie immer. Und alles war neu. |
25.09.2012 07:09:01 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#63455) |
Morna | Wer wird siegen? Wie ist es nur dazu gekommen? Wie so oft ist es nur ein Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt. Eine Kleinigkeit – und dann ist es nicht mehr aufzuhalten. Sie spürte die Wut in ihm, wie sie langsam hochkochte. Und sie führte ihn fort von den anderen. In Sicherheit. Sicherheit für wen? Für ihn? Für die anderen? Für sich? Sie wusste es nicht. Nebelschwaden zogen über den kleinen Teich hinter seinem Haus, dort draussen vor Elboria. Ein paar Grillen zirpten unverdrossen ihr Lied. Die Handwerker hatten ihr Tagwerk beendet, es war still und friedlich. Der Abend war mild, kein Lüftchen regte sich. Und doch brandete es in ihrem Geist. Sie bekam hautnah mit, was sich bei ihm abspielte. Und sie schauderte… Zuerst waren es noch Worte, mit denen sie ihn zu beruhigen suchte. Doch es war zu spät: Der Drache in ihm riss und zerrte mit ungekannter Wut an den Ketten, die ihn bisher im Zaum hielten. Er wollte frei sein! Ungebändigt tun, was die roten Schuppen der Uralten verrieten: das abgrundtiefe Böse entfesseln. Mit aller Kraft versuchte Aelian zu widerstehen, ihre Worte drangen kaum noch zu ihm durch, sie setzte auf die Kraft der Gedanken, der Bilder, die sie dem tosenden Ungetüm entgegenschleuderte, um seinen Einfluss zu mildern. Und den Schmied bei seinem Kampf zu unterstützen. Längst ging es nicht um die Sache an sich. Es war ein Grundsatz: Der Drache will frei sein! Philomenas Stirn war schweißfeucht und sie zitterte am ganzen Körper vor Anstrengung. Ihr Geist war nur auf eines fokussiert. Sie wurde Zeuge, wie Aelian mit dem Drachen rang, wie er kurz davor war, zu verlieren. Ein lauter Aufschrei „NEIN“ von ihm, von ihr – wie aus einer Kehle. Die Steine des Brunnens brachen unter dem wütenden Faustschlag Aelians, fielen polternd in den tiefen dunklen Schacht, bis ein Platschen zeigte, das tatsächlich Wasser dort unten ist. Und dann war er nur noch Spielball von zwei Mächten. Jemand bot dem brüllenden Roten die Stirn, warf seine Macht in die Waagschale und erhob Anspruch auf den Träger des Blutes. Und diese Macht war nicht minder furchterregend wie der Drache selber. Böses gegen Finsteres. Wie lange kämpften die Giganten gegeneinander? Sie wusste es nicht, wieder einmal spielte Zeit keine Rolle. Mit einem letzten Brüllen des Protestes rollte sich der Rote zusammen und gab sich geschlagen – für dieses Mal. „Glaubst du, ich habe deine Taten nicht gesehen? Glaubst du, dein Handeln hätte mir nicht gefallen? Du hast meine Aufmerksamkeit erregt – und ich beanspruche dich! Du sollst mir dienen.“ Aelian bäumte sich auf. Sein Körper und sein Willen. Nein! So viel Leid in ihm, so viel Qual – und Philomena musste hilflos zusehen. Ihre Herrin beschützte sie, nach ihr wurde zwar getastet, aber die Entität lies von ihr ab, wie schon einmal erkannte sie die Dunkelheit in der Frau und war damit zufrieden, sie auf der richtigen Seite zu wissen. Doch um so mehr zerrte sie an Aelian, wollte ihren Diener jetzt schon mit sich nehmen, nicht erst in Jahren oder Jahrzehnten. Was konnte man dem Zerren entgegensetzen? Bilder von Dingen, die waren und die erhaltenswert waren. Bilder von Dingen, die sein würden und die man erleben will. Mit aller Konzentration, der sie habhaft war, sandte Philomena solche Bilder, Erinnerungen und Träume – mehr konnte sie nicht tun, als einen Anker zu bilden, der ihn hier hielt und ihn nicht abgleiten ließ. "Noch... nicht" warf Aelian der Entität entgegen. "Viel zu... tun" Hohngelächter hallte in den Köpfen wider und das Blut in den Adern gefror. Kein Laut war zu hören hier am Teich, alles spielte sich in den Köpfen ab , und das machte es noch schlimmer. „NEIN, noch nicht… jetzt!“ Auch er, sonst so stark wie ein Baum, litt unter dem ungleichen Kampf, unter der Stimme im Kopf. Und weder er noch sie hatten Reserven, um dagegen zu halten. Wie lange noch? Sein Gesicht war schmerzverzerrt, die Augen sahen sie nicht – es gab nur einen Weg, die Stimme im Kopf zu verdrängen: Er holte Schwung und rammte seine Stirn gegen die Brunnenmauer. Und endlich hörte alles auf… Gefällt wie ein Baum. Blutüberströmt aus einer klaffenden Platzwunde an der Stirn. Aber das Gesicht – wenn auch ausgemergelt – endlich wieder friedlich. Philomena blieb nichts anderes, als sie zu versorgen, ehe auch sie erst mal eine Pause brauchte. Diese Nacht hatte ihren Tribut gezollt. Aber sie hatten gesiegt – für dieses Mal. |
02.01.2013 09:09:25 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#66580) |
Morna | Monde sind vergangen. Monde des Lachens, des Zorns, des Hoffens, des Zweifelns. Bündnisse wurden geschlossen, Pläne geschmiedet, Pläne erreicht... Philomena sass auf der Bank und starrte in den dunklen Himmel. Es war windig, aber mild. Wolkenfetzen zerrissen immer wieder das Band des fahlen Mondlichtes und hüllten das Haus teilweise in Dunkelheit. Ihre Sinne waren angespannt. Immer wenn es knackte im Gehölz, schaute sie auf - sorgenvoll und hoffnungsvoll zugleich. Sie war blass und ihre Hand zitterte, als sie nach dem Becher mit dem bitteren Tee griff. Er würde helfen, das wusste sie. |
27.02.2013 09:12:50 | Aw: Philomena - Hinter verschlossenen Türen (#68403) |
Morna | Kalte Rache Sie konnte warten. Sie konnte Verletzungen ertragen und das Gefühl des Verschmähtwerdens mit einem Lächeln hinnehmen, sie konnte lachen, auch wenn sie zurückgelassen wurde. Sie wusste, dass ihre Zeit kommen würde, das war noch jedes Mal so gewesen. Auch damals - in Tiefwasser. Und nun hier. Sie hatte ihn suchen lassen, über Monate, überall, ohne ein Lebenszeichen. Er hatte ihr Herz absterben lassen. Er kam wieder und klagte an. Und versetzte wieder einen Dolchstoß. Das alles hätte sie noch hinnehmen können, sie war stark und sie war nicht mehr allein. Aber alles war nur iebliches Gesäusel. Verletzen – und am nächsten Tage mit einer anderen zusammen sein. Wie sie es genoss, ihm all das ins Gesicht sagen zu können, während er bewegungslos vor ihr lag. Wie er sich freute, als sie ihn niederlegte, wohl in der Hoffnung auf mehr. Das Gift tat seine Wirkung. Sie verstand sich auf Ingredienzen und Komponenten. Und… nein, töten sollte es nicht, das wäre zu einfach. Lähmen. Damit er nicht wegkonnte oder mit seinem Gesang sie betören konnte. Sie ist stark geworden in den vielen, vielen Monaten seit damals. In seinen Augen zeigte sich Erkennen. In seinen Augen zeigte sich… ja, was? Die Bitte um Entschuldigung. Aber es war zu spät. Eine Philomena ist kein Spielball. Eine Philomena ist eine Frau, die vieles verzeiht, aber nicht alles. Tränen ließen das eiskalte Blau ihrer Augen schimmern, als sie ihm den Atem nahm. Tränen rannen aus seinen Augen, bis sie ihm brachen: das letzte, was er sah, war sie. Sie wollten gemeinsam ein Buch der Geschichte schreiben. Nun war sie es, die das letzte Kapitel schrieb. |