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20.11.2017 19:50:44
[Mael] Der ungebetene Gast (#122614)
Amilcare
[spoiler]https://www.youtube.com/watch?v=w3WcfB9EDr0[/spoiler]

Ein Mann schritt durch die Stadt, einsam, obwohl er nicht allein war. Das stete Küssen des Pflasters durch seinen Stab begleitete ihn, auch wenn nur er es zu hören vermochte. Die Nacht war bereits herein gebrochen, doch still war es hier nicht. Auch wenn er nicht durch das Viertel jener geschritten wäre, die sich heute abend für viel Geld vielen verschiedenen Vergnügungen hingeben würden, deren gesittetes Lachen nun durch die Straßen und Gassen hallte, so hätte ihn wohl kaum jemand bemerkt, geschweige denn gehört. Der Mann wirkte, als wäre er gar nicht hier, oder als würde er nicht hierher gehören. Ein Wanderer, der nicht hier sein wollte und nichts mit jenen, die hier waren, zu schaffen hatte.

Die Robe des Mannes war schwarz, doch auch dies fiel nicht weiter auf. Schwarz galt als edel und die meisten schauten ohnehin nicht genauer hin, wonach auch niemandem ins Auge stach, dass die Robe bereits bessere Tage gesehen hatte. Einst mochten die aufwendigen, eingestickten Symbole, die von arkanen Geheimnissen flüsterten, etwas hermachen, doch heute waren sie abgewetzt und ausgebleicht.
Aber es war gleich, dem Mann und den Leuten, an denen er vorbei schritt. Gleich wie das schöne Antlitz, das im Dunkel seiner Kapuze lag. Solche Dinge kümmerten den Mann nicht, nicht mehr.
Die Schritte des Mannes führten ihn zu einem großen Gebäude. Südländisch war es, mit seinem weißen Marmor, und verbunden mit dem Norden, mit den Ornamenten und Statuen. Es war ein Palast für sich, der viele andere in diesem Viertel überragte. Jung und strahlend.
Auch mit diesem Anblick hielt sich der Mann nicht auf. Zielstrebig wanderte er die Stufen des Palastes hinauf. Auch jene, die dafür sorgten, dass niemand unerwünschtes hinein gelangte, nahmen von dem Mann keine weitere Notiz. Doch bei ihnen schien es, als müssten sie dies tun, damit sie auch noch morgen Unerwünschte hindern könnten.
Die Türen standen offen. Erst bei den Flügeltüren des Saales, auf den der Mann zu schritt, zeigte sich, dass er erwünscht war. Die Männer hier öffneten ihm die Türen und er betrat wie selbstverständlich die Halle. Eine Halle die darauf ausgelegt war die Klänge des Cellos einzufangen, das vorn auf der Bühne spielte. Die Halle war voll und dennoch gab es eine ganze Bankreihe, ganz am Ende, die niemand angetastet hatte. Alsbald lehnte sein Stab an einer jener Bänke und der Mann nahm hier Platz. Auch hier hinderte ihn niemand. Er war erwünscht.
Eine Kleinigkeit fehlte dem Mann noch, damit er die Klänge der Bühne genießen konnte. Sie sprachen von Trauer in einem fernen Land. Einem Land, das der Mann bereits besucht hatte, von dem aber die meisten Anwesenden nur eine grobe Vorstellung besaßen. Er zog eine alte, hölzerne Pfeife hervor. Auch sie hatte bessere Tage gesehen, müßig darüber nachzudenken, denn der Mann tat es auch nicht. Er stopfte sie mit einem Kraut aus einer seiner Gürteltaschen. Er legte einen Finger darauf und schon stieg der Rauch in die Halle hinauf. Auch das war wohl erwünscht. Niemand hinderte ihn.

[i]"Mael. Da bist du."[/i]
Ein anderer Mann hatte sich kaum hörbar genähert und ließ sich nun neben dem ersten nieder. Jener, den er Mael genannt hatte, blickte nicht auf, sondern schien die Trauer der Musik in sich aufzuziehen, mitsamt dem Rauch seiner Pfeife. Und dennoch antwortete Mael.

[i]"Hier bin ich, Viktor."[/i]
Maels Stimme war klar und hätte vielleicht mit Gesang die Musik noch trauriger machen können. Ganz anders war sie als die von Viktor, dem zweiten Mann, denn seine war rau vom stetigen Genießen des Rauchkrautes, aber auch vom edlen Wein, dem Viktor wohl oft genug zusprach. Und edel war Viktor, allein seine Kleidung zeigte dies. Jung und edel.

[i]"Mein Freund, du könntest ein heißes Bad vertragen."[/i]
Viktor sprach halb im Scherz, denn sein Freund, trotz des Krautes, hatte einen ganz speziellen Geruch an sich. Und niemand schien sich daran gestört zu haben, oder nahm davon Notiz.

[i]"Nur eine Ratte, Viktor. Ich musste die Gelegenheit nutzen, verendete sie doch in meiner Kabine bei der Überfahrt."[/i]
Erklärte der erste Mann, Mael, langsam, und sog dabei weiter an der Pfeife, während seine kühlen Augen auf dem Musikanten auf der Bühne ruhten. Es war seine Musik, er hatte sie vermisst. Und er wusste wem er es zu verdanken hatte, dass er sie erneut hören durfte. Aber auch das zeigte der Mann nicht. Hier war nicht sein Ziel, hier war er gar nicht.

[i]"Warum hast du mich rufen lassen, Viktor? Warum musste ich von dieser elenden Insel hierher, wo du doch weißt, was mir hier blüht?"[/i]
Der andere Mann, Viktor, blickte nun auch zur Bühne, ganz so als hätte Mael Befehlsworte gesprochen. Es dauerte eine Weile und jene Weile genügte, dass Mael Viktor herausfordernd anblickte.

[i]"Ich werde sterben, Mael. Kurz bevor ich die Nachricht an dich abschickte, haben sie mein Anwesen außerhalb der Stadt gestürmt."[/i]
Zum ersten mal an diesem Abend wirkte der erste Mann so, als wäre er wirklich hier. Seine Augen sprachen von Sorge und sein Herz schien erschüttert, die Musik, so schön sie sein mochte, tat ihr übriges dazu.

[i]"Was ist mit den Schutzaubern? Den Vorbereitungen? Den Wächtern?"[/i]
Fragte Mael, obgleich er die Antwort bereits erahnte.

[i]"Sie haben versagt. Sie haben einen Weg gefunden. Du weißt wie mächtig sie sind, Mael. Du weißt es aus erster Hand. Dieser Tag musste kommen."[/i]
Als Mael seinen Blick abwandte, sah Viktor wiederrum zu ihm, seinerseits ahnend, was in dem Berobten vorging. Er hob die Hand.

[i]"Bevor du denkst, deine Zeit hier hätte etwas damit zu tun. Dieser Krieg war mein Krieg, lange bevor wir uns trafen. Ich wurde in diesen Krieg hinein geboren, ein schweres Erbe und dennoch trat ich es an. Nein, Mael, deine Zeit hier hat mir sogar Kraft gegeben, diesen Krieg weiter zu führen. Hoffnung auf ein Ende, einen Ausweg. Hoffnung darauf, dass mein Feind letztendlich nicht so bestalisch ist, dass dein Blut Zeugnis davon ablegt."[/i]
Viktor sprach leise und ruhig und Mael zog an seiner Pfeife, obgleich sie bereits erkaltet war. Seine Gedanken waren wieder an einem anderen Ort, nicht bei der Musik. Sie begleitete ihn nur.

[i]"Was ist mit den Harfnern? Dein vorletzter Brief sprach davon, dass sie gegen dich und unseren Feind vorgehen?"[/i]

[i]"Auch sie haben versagt. Ihre Zelle wurde ausgelöscht und sie werden nichts mehr unternehmen können, nicht rechtzeitig."[/i]

[i]"Aber..."[/i] Mael zögerte. So gleich ihm die Gesellschaft anderer gewesen war, so wichtig war ihm Viktor als Freund. Er wollte den Takt nicht verlassen. [i]"...warum hast du mich dann rufen lassen? Soll ich mit dir untergehen?"[/i]

[i]"Sie werden sich alles aneignen, was ich besitze, geliebter Freund. Alles. Sie wissen wo du hingehst, so du zu der Insel zurückkehrst. Ich werde dir vorher meinen Besitz überschreiben. Du musst diesen Krieg zu Ende bringen. Lass mich weiterhin dazu beitragen."[/i]
Mael zog an den Fingerspitzen seines linken Handschuhs. Heute schmerzte die Hand wieder, trotz der Magie, die dem Handschuh inne wohnte. Als er die Hand befreit hatte, wandte Viktor sich nicht angeekelt ab, obgleich es für andere völlig natürlich gewesen wäre.

[i]"Wie könnte ich nicht. Mein eigenes Blut hat mich verbrannt."[/i] Dabei hob er die Erinnerung, die der zerstörten Hand anhing, mit selbiger in die Höhe. Nur soweit, dass sie die Bedeutung seiner Worte unterstrichen.
Viktor nickte nur. Es war ein Gespräch, in dem beide Männer meist die Antwort des anderen bereits kannten. Ein Zeugnis davon, wie nah sie einander standen.

[i]"Genug davon. Lass uns den Abend der Musik genießen. Danach wirst du noch meine Sammlung aufsuchen. Ich habe noch einige gute Bücher, Schriften der Gelehrsamkeit, die du an deiner Akademie dort unten nicht finden wirst."[/i]
Mael kümmerte sich nicht darum, dass Viktor bereits davon wusste. Viktor wusste stets alles. Er musste es. Nur Wissen konnte diesen Krieg gewinnen.
So lehnte er sich wieder zurück, vertrieb die dunklen Gedanken mit einer neuen Pfeife und lauschte der Musik. Seiner Musik. Immerhin war er nicht hier. Und morgen wäre er es tatsächlich nicht mehr.