12.11.2015 15:17:23 | [Nu'elis] Eine neue Hoffnung (#100909) |
Pele | [size=4] An diesem Tag starb der Rest meiner geschundenen Seele. Als würde ein Spiegel zerbersten und das Antlitz meiner selbst auseinanderreißen, zu einer grotesken Fratze verzogen, ehe Hunderte Splitter laut klirrend zu Boden stürzen. Aber lasst mich die ganze Geschichte erzählen. Von Beginn an. Meinen Vater habe ich niemals kennen gelernt. Es wird einer der vielen Drow gewesen sein, die sich unten in den Sklavenunterkünften jene Befriedigung verschafften, die sie von den Frauen ihresgleichen niemals hätten erwarten können. Meine Mutter, eine Elfe, war wie ich eine Sklavin des Hauses Kenraet. Eines der kleineren Häuser, das ohne unterlasse seinem Aufstieg nachjagte und sich im stetigen Kampf mit den Rivalen gleichen Standes befand. Nur wenige würden jemals die Schwelle überschreiten, die sie zu einem der bedeutenden Häuser machen würde. Seit ich denken konnte arbeitete ich, zusammen mit vielen meinesgleichen, um es den Drow des Hauses so angenehm wie nur möglich zu machen. Mal war es einfach, mal schwer, doch immer erniedrigend. Von Beginn an war ich auf mich selbst gestellt. Was meine Mutter im Palast tat, wusste ich nicht, bis eines Tages – ich musste wohl gerade 14 Sonnenläufe zählen - zwei männliche Drow mich, statt zur Arbeit, an einen anderen Ort brachten. Als ich, nach einer Nacht voll endloser Pein, zurückehrte, wusste ich, was meine Mutter tat. Und als sie mich an diesem Tag anblickte, weinte sie bitterlich. Gesprochen haben wir darüber nie. So verstrich die Zeit. An jenem Tag, an dem ich meine Mutter das letzte Mal sah, war sie als Dienerin der Mutter Oberin eingeteilt. Der Dienst bei den Priesterinnen war immer gefährlich. Blicke ihnen niemals in die Augen, hatte sie mir immer gesagt. An jenem Tag waren ein Elf beim Fluchtversuch erwischt worden. Er lag in Ketten vorm Thron und flehte um sein Leben. Meine Mutter sollte ihm die Säure über den Körper gießen, eine grausame, schmerzhafte und vor allem langsame Art der Hinrichtung. Doch sie brachte dies nicht übers Herz. Es war bereits Abend, als man mich aus dem Quartieren holte. Auf dem Weg durch den Palast nach oben konnte ich einen der seltenen Blicke auf die unterirdische Stadt werfen, welche sich im Tal einer riesigen Höhle ausbreitete. Das milchige Licht, welches von der Akademie ausging, hatte bereits den Boden erreicht. Schon bald würde es stock dunkel sein. Man brachte mich in die Hallen der Priesterinnen und kettete mich an eine der Säulen. Eine der Priesterinnen trat auf mich zu und flüsterte mir ins Ohr, ich solle von dem - was auch immer nun geschähe - den Blick nicht abwenden, sonst bekäme ich die Peitsche zu spüren. Und so sah ich zu den beiden Elfen hinüber, von denen eine meine Mutter war. Die Säure fraß sich in deren Haut, wie ein Stück Zucker von Wasser berührt. Haare, Haut und Kleider verschmolzen zu einer einzigen braunen Brühe. Es zischte. Rauch stieg auf. Der Geruch von verbranntem Fleisch schwängerte die Luft. Fast eine Stunde lang dauerte der Todeskampf der beiden, während dessen sich ihre entstellten Leiber, von Schmerzen gepeinigt, hin und her wandten. Ihre Schreie hallten von den Wänden wieder und brannten sich in meine Seele. Am Ende des Tages war meine Mutter tot, und mein Körper war zerschunden von Dutzenden Peitschenhieben. Jeder einzelne schmerzte als würde brennendes Wachs in den Wunden sieden. Die Narben sollten mich für den Rest meines Lebens an diesen Tag erinnern. Von da an holte mich kein Drow mehr zu seinem Vergnügen. Wohl aber die Mutter Oberin selbst stieg ab und an hinab, nur um mich zu sehen. Die Genugtuung in ihrem Blick ließ mich frösteln und gleichzeitig schürte es meinen Hass, der aus tiefstem Herzen hinauf stieg. Oft blickte ich ihr direkt in die Augen, doch anstatt mich zu bestrafen, blickte sie nur milde Lächelnd zurück. Es war die Hölle. So gern hätte ich sie angesprungen und ihr mit bloßen Händen das schwarze Herzen aus der Brust gerissen. Doch tat ich es nicht. Wer weiß. Vielleicht hatte sie genau darauf gehofft. Denn mit den Jahren verlor ich gänzlich den Mut sie auch nur anzusehen und sie verlor das Interesse an mir. So kam es, dass ich - Jahre später - zusammen mit einigen anderen meinesgleichen verkauft wurde. An einen schmierigen Händler auf dem Weg zur Oberwelt. Nach Oben. An einen Ort den ich nicht kannte. Niemals sah. Meine Mutter hatte davon erzählt. Meine Mutter. [i]Nu'elis[/i]. Eine Hauch von Hoffnung. Dies war fortan mein Name. [/size] |
26.11.2015 13:26:52 | Aw: [Nu'elis] Eine neue Hoffnung (#101517) |
Pele | [size=4] Niemals zuvor hatte ich die Mauern von Kenraet verlassen, geschweige denn die verdammte Stadt der Dunkelelfen jemals hinter mir gelassen. Doch nun, während meiner Reise durch das Unterreich, erhaschte ich eine vage Vorstellung davon, wie groß die Welt wirklich sein musste. Wochenlang reisten wir durch Höhlen und Tunnel, die sich alle glichen und doch auf merkwürdige Weise jede anders war. Neue Eindrücke fluteten beinahe Täglich auf mich ein und weckten in mir ein stetig wachsendes Verlangen nach Wissen. Radok, der kleine Halbdrow, der der Karavan vorstand, behandelte mich wie sein Eigentum. Ich kannte es nicht anders, aber während sich damals mein Hass auf jedes einzelne Mitglied des Hauses Kenraet verteilte, fokussierte er sich nun auf eine Person, der ich auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Unentwegt führte unser Weg gen Süden und - so kam es mir zumindest vor - jeden Tag ein Stück näher zur Oberfläche hin. Meine Mutter hatte mir von grünen Wiesen und Wäldern erzählt. Vom Himmel, Wolken und der warmen Sonne. Doch an jenem Tag, Monate nach unserer Abreise, an dem wir das Unterreich verließen, sah ich weder Sonne noch Wolken. Diesiger Nebel verbarg alles was sich Firmament hätte befinden können. Asche regnete herab und hüllte die stetig im Dunklen liegende Stadt in ein unwirkliches Licht. So sehr schien sich die Oberwelt gar nicht vom Unterreich zu unterscheiden. Zu jener Zeit hatte ich noch keine Ahnung was mich hier erwarten würde. Zusammen mit den anderen Sklaven war ich in ein kleines Gatter gepfercht. Enttäuscht und Entmutigt. Radok sprach den ganzen Tag mit den unterschiedlichsten Personen. Doch scheinbar hatte niemand Interesse mit ihm ins Geschäft zu kommen. Fast gewann ich den Eindruck, als wäre die hiesige Bevölkerung abgeneigt dem Halbdrow auch nur eine Münze anzuvertrauen. So wurde es Abend. Erst als Radok auf mich deutete, wurde ich des Mannes gewahr, der vor den Gattern stand und mit dem Halbdrow verhandelte. Er war in edle Kleidung gehüllt, teilweise aufwändig verziert und mochte vielleicht 30 Sommer zählen. Sein Gesicht war gezeichnet durch drei lange Narben und seine grünen Augen blickten wie die eine Katze umher, gelassen und doch angriffsbereit. Dieser Mann faszinierte mich auf unerklärliche und unheimliche Weise. Ich brach das ungeschriebene Gesetz und blickte ihn unentwegt an. [/size] |